Die Jagd war erneut eine Enttäuschung gewesen. Trotz der zahlreichen Sichtungen schien der Hybrid dennoch immer wieder einen Fluchtweg zu finden.
Zugegeben, nicht jeder, der meint den Hybriden gesehen zu haben, hat das auch. Die Angst spielt einem oft etwas vor, wenn sie nur groß genug ist. Aber zumindest einige Berichte mussten wahr gewesen sein. Der Hybrid bewegt sich irgendwo am Rande ihres Gebietes im umgebenden Schwarzwald, darin ist sich die Fürstin sicher. Sie muss ihn nur finden und töten und könnte dann dem ganzen Theater endlich ein Ende machen.
Seufzend lässt sie sich in den Stuhl an ihrem Schreibtisch fallen.
Leider ist die ganze Angelegenheit nicht ansatzweise so einfach wie sie klingt. Es hinterlässt bei seinen Angriffen keine Spuren, also können Jagdhunde seine Fährte nicht aufnehmen und Es scheint intelligent genug zu sein, um sich auch im Wald nicht finden zu lassen. Vielleicht könnte man eine Falle…
“Milady!!!”
Die Tür kracht so hart in die Wand neben ihr, dass sich ein Stückchen Stein ablöst und mit einem leisen Klick auf dem Boden landet.
“Viktor, was habe ich…?!”, faucht die Fürstin. Doch sie kann nicht einmal den ersten Satz ihrer Standpauke beenden, denn Viktor fällt ihr mitten ins Wort:
“Jemand wurde gebissen!”
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Das Opfer war eine junges Fräulein der Mittelschicht. Sie hatte mit ihrer Freundin einen Spaziergang unternommen und dabei eine Katze entdeckt, der sie in eine Seitengasse nachgejagt ist. Die Freundin dachte sich zunächst nichts dabei und wollte ihr langsamen Schrittes folgen, änderte jedoch ihre Meinung, als sie einen Schrei hörte. Das Monster hat erst von ihr abgelassen, nachdem die Freundin des Opfers eingetroffen war und um Hilfe gerufen hatte.
“Danach soll es über die Dächer in Richtung Wad weggeflogen sein”, beendet Viktor seinen Bericht, während die Ritter erneut durch die Felder in Richtung Waldrand eilen.
“Und das mitten am Tag, mitten in der Stadt? Phex verflucht!”, kommentiert Malo schnaufend.
“Zweimal am selben Tag. Es verhöhnt uns”, ergänzt Ruby, die Bitterkeit in ihrer Stimme, kaum zu überhören.
Die Fürstin erwidert nichts. Sie ist viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
Hätten sie das Wesen bereits heute Vormittag gefunden, wäre das Fräulein jetzt nicht verletzt. Rhiscea hatte das junge Ding noch kurz zu Gesicht bekommen, bevor sie aufgebrochen waren. Der Kragen ihres Kleides war in Blut getränkt und ihre Augen vor Tränen rot. Sie war noch ein Kind. Ein unschuldiges Kind, das Opfer eines grausamen Übergriffes geworden war, weil ihre Füstin den Übeltäter nicht finden konnte. Und auch wenn das Mädchen genug Glück gehabt hat, um den Angriff zu überleben, musste es nicht zwingend immer so enden.
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Doch jetzt war nicht die Zeit, sich über sich selbst zu ärgern. Wenn sie etwas ändern wollte, musste sie weitere Gewalttaten verhindern. Und dazu musste sie nur den Hybriden ausfindig machen und seinen Kopf auf einen Pfahl stecken.
Wenn das Wesen, welches bis jetzt nur am Stadtrand und in der Nacht gejagt hatte, plötzlich dreist genug war, um am helllichten Tag, in einer dichtbesiedelten Gegend anzugreifen, musste es sich verdammt sicher fühlen. Es machte Sinn. Das gesamte Reich war schon seit mehreren Jahren hinter ihm her aber bis vor ein paar Wochen hatte es noch nicht einmal eine Phantomskizze von ihm gegeben.
Bekanntermaßen kommt der Hochmut jedoch vor dem Fall. Und falls Es hochmütig genug ist, um auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen, würden sie Es finden und ein für alle Mal beseitigen.
Der Wald ist nicht mehr weit, nur noch etwa zwei Steinwurf trennt die Gruppe von dem wilden Dickicht. Langsam muss ein Plan her, doch das ist leichter gesagt als getan. Von hier aus hätte der Hybrid in jede Richtung und beliebig weit fliegen können und nichts scheint auf seine Anwesenheit hinzudeuten.
Sie sind wieder am Anfang. Kein Plan, keine Spur, rein gar nichts. Nur immer neue Opfer. Immer mehr unschuldiges Blut, das vor ihren Augen vergossen wird und sie kann nichts dagegen tun.
Je näher sie dem Wald kommt, desto mehr verlangsamen sich ihre Schritte und desto schneller fängt ihr Herz an zu schlagen. Nichts, sie hat gar nichts. Das beste, das sie jetzt unternehmen kann ist den endlosen Wald kreuz und quer zu durchkämmen. Es würde Monate dauern, bis sie da irgendetwas finden würden. Vorausgesetzt der Vampir würde seine Lagerstätte nicht einfach verschieben, wenn er denn überhaupt eine hat.
Die Fürstin ist mittlerweile stehen geblieben. Vor ihr erstrecken sich Meilen um Meilen an Wald, der sich am Horizont zu Bergen erhebt. Ein Niemandsland, in das sich seit hunderten von Jahren keine Seele tiefer hineingetraut hat. Und irgendwo darin hält sich ein gnadenlos brutales Monster versteckt, dass die Bewohner ihrer Stadt terrorisiert.
Ihre Ritter sind ebenfalls stehen geblieben und werfen sich gegenseitig verwirrte und fragende Blicke zu. Sie sind es nicht gewohnt ihre Fürstin zögern zu sehen.
Sie seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Ein Keim von Verzweiflung beginnt sich in ihr breit zu machen, doch sie drängt das Gefühl in den Hintergrund. Es gibt Menschen, die ihr Vertrauen in sie gesetzt haben. Jetzt Schwäche zu zeigen, würde bedeuten, sie zu enttäuschen.
“Hey, Lady Rhea, was ist denn jetzt eigentlich der Plan?”, unterbricht Malo die Stille und spricht damit die Frage aus, die sich mittlerweile alle stellen müssen.
Kurz überlegt die Fürstin, ihn wegen des Gebrauchs ihres Spitznamens und der fehlenden Formalitäten zu ermahnen, aber es würde wahrscheinlich nichts bringen. Sie hat ihn bereits so oft deswegen zurechtgewiesen und er hat es trotzdem immer wieder getan. Vor allem, und das bereitet ihr gerade mehr Sorgen, muss sie seine Frage beantworten und im besten Fall dabei noch einen Plan zusammenkratzen.
Sie macht den Mund auf, um etwas zu antworten, doch schließt ihn gleich wieder. Außer den Wald nach einem möglichen Unterschlupf zu durchsuchen, fällt ihr nichts ein.
“Milady”, meldet sich Sith zu Wort, “ich hätte eine Idee, wenn Sie gestatten.”