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1.2 Demians Zerfall

Schmerzen pulsierten durch seinen ganzen Körper. Demian wollte am liebsten wieder in den Schlaf versinken, in ein gefühlloses Nichts. Doch die Schmerzen zerrten ihn wieder zurück in das Hier und Jetzt, auch wenn er nicht wusste, wo er war und warum sein Körper so gepeinigt war.

Stöhnend öffnete er die Augen und im ersten Augenblick sah er nur einen verworrenen, dunklen Fleck, doch dann schärfte sich sein Blick. Er war von Holzmauern umgeben, in einem großen, schwach beleuchteten Raum.

Er nieste, als ein metallischer, säuerlicher Geruch in seine Nase stieg und neue Schmerzenswellen fuhren durch seinen Körper. Jetzt spürte er auch, dass er in seiner Drachenform war.

Demian wollte den Kopf heben, doch etwas hielt ihn zurück, während gleichzeitig so viel Schmerz durch sein Körper fuhr, dass er japste.

Mit zusammengebissenen Zähnen wendete er seinen Kopf zur Seite, um einen Blick auf seinen Körper zu werfen.

Unzählige Ketten schlangen sich um ihn. Dazwischen steckten Messer, Dolche, Kurzschwerter. Jetzt wo er sie sah, jagten die Schmerzen noch heftiger durch seine Glieder, dass Demians Körper zuckte. Hätten die Ketten ihn nicht zurückgehalten, er hätte wild um sich geschlagen. Drachenjäger hatten ihn erwischt. Um sein Blut zu melken.

Seine Gedanken verschwammen, während Panik seine Beine und seinen Schwanz bewegten, im verzweifelten Versuch, sich von den Ketten zu lösen. Er musste sich befreien. Bevor die Drachenjäger zurückkamen.

Als sein Blick den Kettenberg neben ihm streiften, packte ihn ein eiskaltes Gefühl und seine Glieder froren ein. Langsam richtete er den Blick zurück, zuerst auf die Blutlache, dann auf die Ketten, die darauf lagen. Er wanderte hinauf zu dem Kopf und mit jeder Klinge, die Demian im Körper des Wasserdrachens entdeckte, zog sich sein Herz weiter zusammen, bis er kaum atmen konnte.

»Cora«, wisperte er. »Cora!«

Demian versuchte wieder die Beine zu strecken, sich zu erheben, doch die Jäger hatten diese eng an seinen Körper gebunden. So konnte er sich nur ein wenig nach vorne robben.

Ihr Name drückte in seiner Kehle, er wollte ihn schreien, wollte sie mit seiner Stimme wieder zum Leben erwecken, doch er hielt sich zurück, als er die trockene Haut ihres Kopfes bemerkte.

Wasserdrachen wurden von dem Fluch gezwungen sich zurückzuverwandeln, wenn sie zu trocken waren. Über zwanzig Klingen, steckten in ihrem Körper, sollte Cora sich jetzt verwandeln, würden die Waffen ihre menschliche Form komplett durchstechen. Demian musste dies verhindern. Um jeden Preis. Wenn er es schaffte, sich zu befreien, musste er nur die Klingen herausziehen und durch ihr Drachenblut, würde sie schnell verheilen.

Demian ächzte gegen den Schmerz an und versuchte mit ganzer Kraft, sich auf die Beine zu stemmen. Als das nicht klappte, wandte er sich wie eine Schlange. Doch die Ketten lockerten sich nicht.

Eine Tür knallte auf.

»Was soll dieses ganze Geschepper?«, gellte eine männliche Stimme.

Demians Angst löste sich auf, während ein Brennen durch Hals und Magen wanderte. Seine Kehle vibrierte durch ein tiefes Grollen und er drehte den Kopf mit gefletschten Zähnen zu dem Jäger.

»Verdammt, das Betäubungsmittel hat nachgelassen!«, rief der bärtige Mann durch die Tür, dann stampfte er auf Demian zu und zog ein weißes Schwert, dass er an seiner Seite trug.

»So eine verdammte ... Wir haben noch nicht mal zwanzig Flaschen voll gekriegt! Mach, dass du gefälligst wieder einschläfst, du Mistvieh!«

Der Bärtige schlug mit seiner Klinge gegen einen Dolch, der in Demians Rücken steckte. Der Stich, der nun durch seinen Körper jagte, raubte ihm den Atem. Sein Knurren ging in ein lautes Winseln über. Doch nur für einen kurzen Augenblick, dann grollte er erneut, seine Stimme durch Wut verzerrt.

Ein leises Winseln streifte seine Ohren. Demian starrte, eher er es wagte, den Blick auf Cora zu richten. Ihre Schnauze bebte.

»Nein, nicht!«

»Klappe halten!« Der Bärtige schlug ihm mit der flachen Klinge gegen den Kopf, Demian wollte sein Schwert mit den Zähnen packen, doch der Jäger sprang rechtzeitig zurück und ging zu Cora.

Demian robbte dem Mann hinterher, doch die Ketten durch Ringe mit dem Boden verbunden und zogen ihn zurück.

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Nun regten sich Coras Augenlider. Demian wurde schlecht. Wieder stieg die Panik in ihm auf, betäubte die Stiche in seinem Körper und er wandte sich wieder.

»Ey! Du hast das Betäubungsmittel vergessen!«, rief eine rauchige Stimme von der Tür aus, dann rannte ein dunkelblonder Jüngling auf Cora zu.

»Beeil dich!«, rief der Bärtige und trat Cora gegen den Hals.

»Nein! Nein! Nicht!«, schrie Demian und beobachtete entsetzt, wie Cora sich zu winden begann und ihre Gestalt einmal zuckte, um sich dann zusammenzuziehen.

Demian keuchte, versuchte sich wieder nach vorne zu robben.

»Cora! Nein! Du darfst dich nicht verwandeln!«, sagte Demian und keuchte.

Der Mann fluchte und steckte sein Schwert in ihrem Hals, doch das würde ihre Verwandlung nicht aufhalten. Stattdessen japste ihre graue Gestalt nur, während sie immer weiter schrumpfte. Dann gellte ihr Schrei durch die Hütte, der Demian mehr zerriss, als die Klingen in seinem Körper.

»Es ist zu spät, lass sie!«, rief der Blonde und zerrte den Bärtigen zurück, ohne dabei Cora aus den Augen zu lassen.

Demian brüllte und fauchte, bis seine Kehle schmerzte, um die Männer von Cora wegzutreiben, doch die Jäger achteten nicht auf ihn, sondern nur auf die Gestalt, an der die Ketten herunterfielen. Coras nackter Körper. Durchstochen von Schwertern. Bedeckt mit fließendem Blut.

»Cora!«, brüllte Demian. Die Hitze des Fluchs wallte in ihm auf, fuhr als heftige Welle durch ihn. Sein Fell stellte sich auf und ein siedender Schleim schoss in seinen Mund hoch, für einen kurzen Augenblick wurde ihm Schwarz vor Augen.

Dann hörte er Cora husten und spucken, bevor ein dumpfer Knall kam, begleitet vom Klirren der Kettenstränge.

»Mist, die haben wir verloren.« Der Blonde seufzte.

»Na ja, wir haben immerhin noch den anderen zum Blutmelken.«

Langsam kehrte seine Sicht zurück und er stieß ein ohrenbetäubendes Grollen von sich. Es floss immer mehr von der dicken Flüssigkeit aus ihm heraus.

Der Schmerz der Klingen ließ plötzlich nach, so wie der Druck der Ketten um seinen Körper. Mit glühenden Gliedern streckte er sich aus. Das dünne Metall, das ihn gefangen gehalten hatte, glitt herunter, als wären sie durchtrennt worden. Er streckte seinen Hals, immer weiter und die Männer, die unter ihm standen, wurden immer kleiner.

Der Blonde drehte sie um und weitete die Augen.

»Was zum ...?«

Jetzt drehte sich auch der Bärtige um und wurde blass um die Nase.

Die Hitze zersprang jede Hemmung in ihm und ließ seinen Hass ungebändigt in seinem Körper wüten. Er öffnete sein Maul und schnappte nach dem Bärtigen.

Die Jäger rannten schreien davon. Demian stürzte hinterher, packte die Schulter des Bärtigen und schleuderte ihn gegen die Wand.

Als der Mann zu Boden fiel, blieb er regungslos liegen. Von draußen drangen nun gehetzte Rufe in die Hütte, die immer näher kamen.

Demian brüllte, als vier Gestalten an der Tür erschienen.

»Was zum Geier ...? Warum ist er weiß?«, rief der Jäger, der seine Armbrust auf Demian richtete.

Etwas staute sich in seinem Magen, zwang ihn den Kopf zurückzuwerfen. Als er ihn wieder nach vorne warf, schoss etwas aus seinem Maul heraus, direkt auf den Jäger mit der Armbrust.

Die anderen warfen sich zur Seite, als ein schwarzer Schlack sich um den Kopf und Brust des Jägers schlang. Panisch zog der Mann an der Masse auf seinem Kopf, dann fielen seine Arme herab. Der Jäger schwankte, ehe er zu Boden fiel und sich nicht mehr bewegte. Die Männer starrten erschrocken auf ihren Kameraden, dann auf Demian.

Er stieß ein Gebrüll von sich, dass die Ketten zum Zittern brachte, dann sauste er auf die restlichen Männer zu. Die Männer stoben durch die Tür davon, doch Demian würde keinen einzigen von ihnen entkommen lassen. Er hatte sich geschworen, niemals einen Menschen zu töten, doch dieser Entschluss hatte sich vollständig in ihm aufgelöst. Heute würde er keinen Einzigen am Leben lassen.

Demian lief ihnen hinterher, beschoss den Ersten und ließ ihn liegen. Stattdessen folgte er einem weiteren durch den Wald. Auch dieser bekam eine schwarze Ladung ab, die letzten Jäger waren zwischen den Bäumen verschwunden.

Gerade als Demian nach ihnen wittern wollte, hörte er Schreie, dann blitzten vier lange, graue Körper durch den Wald.

»Ich hab ihn erwischt! Aber ich finde Demian nicht.«

Sobald Demian Calins Stimme hörte, legte sich das Brennen in seinem Körper, der Druck in seinem Magen löste sich auf und seine Gedanken klärten sich.

Demian keuchte auf. »Cora ... Cora!«

Er schoss zurück ins Haus, stolperte über seine zerbrochenen Ketten und stürzte sich auf den blassen, blutigen Körper.

»Cora, antworte mir! Oh bitte, bitte! Antworte mir doch!«

Demian stupste sie mit der Nase an, während er panisch nach einem Puls fühlte, nach einem Atemzug horchte. Ohne Erfolg. Ein reißender Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, sämtliche Luft schien aus ihm zu entweichen.

»Nein ...«, jammerte er mit erstickter Stimme. »Nein, bitte ... wach auf. Wach auf. Wach auf!«

Er schnappte nach einem Dolchgriff, zog ihn aus ihrer Brust heraus. Dann das Schwert darunter, das Messer daneben, während ihm immer mehr die Luft ausging, der Schmerz seinen Körper erschütterte und schließlich seine Beine nachgaben.

Er drückte seine Schnauze auf Coras Brust, von der kein Heben, kein Senken kam. Immer und immer wieder, in der Hoffnung, so ihr Herz wiederzuerwecken.

Das Einzige, was sich bewegte, war das Blut, das aus ihren Stichwunden herausquoll.

»Cora, nein ... nein ... nicht du!«

Ein Schmerz, heftiger als alles, was er jemals gespürt hatte, überkam sein ganzes Sein. Die Gewalt drohte, ihm vollständig die Luft zum Atmen zu rauben, sein Herz zum Stehen zu bringen. Alles, was Demian tun konnte, war die unsägliche Pein hinauszubrüllen.

»Demian! Was ist passiert?« Calin hastete auf ihn zu. »Als ihr gestern nicht mehr aufgetaucht seid, sind wir eurer Fährte gefolgt und ...« Calin schnappte nach Luft.

Demian ignorierte ihn und brüllte. Brüllte, bis seine Stimme versagte.