Novels2Search

Kapitel Fatima

24.06.2026, 8:00 Uhr, Steinfurt

Müde betrat ich den Hörsaal, Konstruktion/CAD II stand heute an. Eric hatte mal wieder in der ersten Reihe Platz genommen, da wo er immer saß. Ohne zu zögern setzte ich mich auf den freien Platz neben ihn. „Hallo, Fatima“, begrüßte er mich. „Hey“, murmelte ich. Er stellte mir einen heißen Kaffee hin, für den ich sehr dankbar war. „Wie spät ist es gestern noch mit dem Hydraulikpraktikum geworden?“ Die Sorge in seiner Stimme war nicht zu überhören. „2 Uhr morgens“, erwiderte ich. Er sah mich an. „Darf ich mal kurz was loswerden?“ Ich nickte, also fuhr er fort: „Ich finde, du übernimmst dich… ich verstehe ja, dass dir das Studium wichtig ist, aber es ist keine Schande, ein oder zwei Semester zu verlängern…“ „Aber du scheinst es ja auch zu schaffen, und du setzt dich nebenbei noch in eine Mastervorlesung von Dr. Kinger mit rein.“ „Aber ich muss nicht nebenbei arbeiten, um mir mein Essen zu finanzieren, du schon. Du hast also deutlich weniger Zeit und Kraft in der Woche, um zu lernen. Und ganz ehrlich, langsam aber sicher macht dich der ganze Druck, den du dir machst, kaputt.“ „Aber…“, setzte ich an, stoppte aber, weil ich innerlich wusste, dass er die Wahrheit sagte. „Ach hast ja recht“, sagte ich, „Danke.“ Ich war auch igendwie froh, es mal aus fremdem Mund zu hören. Der Kaffee begann zu wirken. „Weißt du, Eric, um dich mach ich mir auch ein bisschen Sorgen“, begann ich erneut. „Warum?“ mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er mich an. „Merkst du eigendlich, wie Dr. Kinger dich ansieht, wie du ihn vergötterst, wie viel Zeit du bei ihm im Labor verbringst? Und jedes Mal, wenn du allein mit ihm warst und ich dich frage, woran ihr denn gearbeitet habt, wimmelst du mich ab. Auch wenn du es vielleicht nicht hören willst, irgendwas hat der Mann mit dir vor und ich weiß nicht, was es ist, aber die Sache ist mir höchst suspekt.“ „Ach, so ein Quatsch“, tat er meine Bedenken ab, „ich wette, er wird dich beim nächsten Projekt auch mit einbeziehen, wenn ich ihm sage, dass du Interesse hast. Soll ich das mal machen, wenn sich das beruhigt?“ „Nein, das mache ich lieber selbst“, entgegnete ich bestimmt. Eric war zwar grundsätzlich ein ehrlicher Typ, aber ich spürte, das zwischen ihm und Dr. Kinger etwas vor sich ging, das er mir nicht erzählen wollte, und von dem ich überzeugt war, das es nicht gut für ihn war. Direkt heute nach der Digitaltechnikvorlesung würde ich Herrn Dr. Kinger mal aufsuchen und ein paar Fragen stellen. Schließlich musste ich wissen, was er mit meinem besten Freund vor hatte. Nur würde Eric zuerst bei ihm sein, denn Digitaltechnik war nunmal ein Wahlpflichtmodul, welches er nicht hatte. Aber so lange, wie die beiden immer in Kingers Labor hockten, würden sie schon nicht weglaufen, da war ich mir sicher.

Am selben Tag, 12:00 Uhr

Unauthorized use: this story is on Amazon without permission from the author. Report any sightings.

Zielstrebig ging ich in Richtung von Dr. Kingers Labor. Als ich in den entsprechenden Gang abbog und flüchtig durchs Fenster sah, fiel mir draußen ein Mann auf, der mit Antenne und Messgerät absuchte und dabei telefonierte. Aber ich hatte nunmal besseres zu tun, als Fremde bei der Arbeit zu beobachten, also ging ich weiter. Ich konnte schon durch die Scheibe in der Tür sehen, dass im Labor Licht brannte, dementsprechend würde ich die beiden wie erwartet antreffen. Also trat ich ein, abgeschlossen war nicht. Auf den ersten Blick sah ich niemanden, also begann ich: „Hallo? Herr Dr. Kinger?“ Keine Reaktion. Auch nach einem Rundgang durchs Labor keine Spur von igendwem. Dabei waren einige Geräte doch noch eingeschaltet… Das war echt verdammt besorgniserregend, zumal die Professoren hier eigendlich großen Wert darauf legten, dass alles ordnungsgemäß ausgeschaltet und abgeschlossen war, wenn niemand mehr im Labor war. Also zückte ich mein Handy, um Eric anzurufen. In diesem Moment ging die Tür auf. Kurz hatte ich die Hoffnung es könnte Eric oder Kinger sein. Als ich mich umdrehte, sah ich jedoch keinen von beiden. Stattdessen kam der Mann, den ich vorhin durchs Fenster gesehen hatte, auf mich zu. Was zur Hölle tat er hier? „Sind Sie zufällig Frau Fatima Kecmaz?“, fragte er mich. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Das war gruselig. Woher kannte er meinen Namen? Ich sammelte mich wieder. Das würde ich schon noch herausfinden. „Ja, die bin ich“, entgegnete ich also in ernstem Ton, „Wären Sie so nett, sich auch vorzustellen?“ „Natürlich.“ Ein leichtes Lächeln flog über seine Lippen, als er mir ein Kärtchen under die Nase hielt. „Sanders. Ingeneur für intertemporale und interdimensionale Kommunikationstechnik.“ Seltsame Jobbezeichnung, ob das wohl so glaubwürdig ist? Auf dem ‚Dienstausweis‘ (oder was auch immer er mir gerade zeigte) standen noch ein paar weitere Informationen – trotzdem nicht sonderlich vertauenswürdig, aber vielleicht auch eine Möglichkeit an Informationen zu kommen. „Haben Herr Dr. Kinger und Herr Aschmer schon ihr Zeitreiseexperiment begonnen?“ Nun war ich mir sicher, der Typ wusste etwas. Die Frage war nur noch, wofür das Codewort ‚Zeitreise‘ steht, eine echte Zeitreise hatte hier schließlich bestimmt nicht stattgefunden. „Ach, entschuldigen Sie bitte“, fuhr er fort, bevor ich etwas sagen konnte, „Sie wissen ja noch gar nichts davon. Wenn Sie gleich angerufen werden, gehen Sie unbedingt ran, ja?“ Er setzte sich an Dr. Kingers Schreibtisch. „Vorallem hätte ich gerne eine Erklärung, was hier passiert!“, machte ich deutlich. „Einen Moment bitte“, sagte er, während er die Anzeigen auf Kingers Maschienen und seinem Messgerät inspizierte. „Ah ja, das subatomare Tunnelsystem im Zeitbereich weist einen Eintrittspunkt bei ca 11:30 Uhr auf, sie sind schon weg. Sagt Ihnen wahrscheinlich nichts, Frau Kecmaz, oder?“ „Nein, erklären Sie es mir“, antwotete ich stumpf. Intensiv musterte ich Sanders. Seine selbstsichere Art, Kingers Ausstattung zu bedienen, ließ auf eine tatsächliche Fachkompetenz und berufliche Erfahrung schließen, auch wenn seine Worte unglaublich klangen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Nun gut, bis zu Ihrem wichtigen Telefonat haben wir vermutlich nicht mehr viel Zeit, aber ich versuchs mal kurz zusammenzufassen.“ Da war ich aber mal gespannt. „Das Tunnelsystem, das ich vorhin erwähnte, ist eine quantenmechanische Konstruktion, welches es in Kombination mit spezieller Ausrüstung ermöglicht, dass sich elektromangetische Strahlung nicht nur in den drei räumlichen Dimensionen, sondern auch auf der 4. Dimensionsachse, der Zeitachse frei bewegen kann.“ Skeptisch hob ich eine Augenbraue. „Du erfährst das erste Mal davon, ich weiß. Das ist ziemlich hohe Physik. Aber vom Welle-Teilchen-Dualismus hast du schon mal etwas gehört, oder?“ Ich nickte, Dinge das Doppelspaltexperiment und der photoelektrische Effekt und die Schlussfolgerungen daraus bekannt. Also sprach er weiter: „Das hat sich Professor Kinger zu Nutze gemacht, um Materie in der Zeit zurückzuschicken, genauer gesagt, sich selbst und Herrn Aschmer. Dabei ist etwas schief gelaufen, das Tunnelsystem ist schließlich nur für den Photonentransport gedacht und -“ „Hören Sie mal“, unterbrach ich ihn wütend, „Wenn Sie den ungefähren Zeitpunkt dieses Experiments feststellen konnten, um die Risiken wussten, warum haben Sie sie nicht aufgehalten?“ „Weil keiner weiß, was passiert, wenn die in ihrer persönlichen Zeitlinie gleichzeitig jetzt und vor ein paar tausend Jahren existieren, letzteres ist schon gesichert nachgewiesen. Und jetzt -“ Das Klingeln meines Handys tönte dazwischen. Eric! Ohne zu zögern ging ich ran.