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Ich hätte ihn geheiratet

Dann kam der Abend, an dem sich alles änderte. Wir saßen noch zusammen auf der Veranda und redeten mal wieder über Gott und die Welt. Steve hatte Eistee gemacht, etwas zum Abkühlen bei der Sommerhitze. Es wurde schließlich dämmrig und wir kamen wieder auf das alte Thema zu sprechen. „Du wirst schon jemanden finden Stevie! Die Weiber haben einfach noch nicht gemerkt, was für ein toller Kerl du bist, aber das kommt noch! Wir müssen einfach noch öfter aus gehen, irgendwann wird dich mal eine bemerken, die dir gefällt und dann...“, schwadronierte ich, doch er unterbrach meinen Monolog: „Dann kannst du endlich aufhören, dich um mich zu kümmern und dir die Frau fürs Leben suchen!“

Mir blieb der Mund offen stehen, aber er sah mich nicht mal an. Er starrte nur verbittert in sein Glas. Ich entgegnete entrüstet: „Danach muss ich nicht suchen. Und es macht mir nichts aus, mich zu kümmern, im Gegenteil! Mein Leben wäre doch leer ohne dich.“ „Und weshalb soll ich dann unbedingt ne Freundin haben?“, brauste er auf einmal auf. Er guckte mich das erste Mal richtig sauer an und grollte: „Akzeptier es doch einfach Bucky, ich bin nicht dafür geeignet! Ich bin einfach nicht wie du! Du bist ein ganzer Mann, du kannst ner Frau was bieten, du bist gesund und stark, aber ich? Ich bin ein kranker, wertloser Schwächling, der froh sein kann, wenn er seinen 30. erlebt!“

„Das ist nicht wahr! Du bist ein wertvoller, liebenswerter, wunderschöner Mann und jeder der was anderes behauptet, soll sich mal mit meinen Fäusten unterhalten! Verdammt, wenn ich ne Frau wäre, ich würde dich sofort heiraten!“, schrie ich da wütend, denn ich konnte es nicht ertragen, wenn irgendwer schlecht über Stevie redete, nicht mal, wenn er es selbst war. Ohne es zu merken hatte ich seine Hand ergriffen, wie um meine Worte zu unterstreichen. Er sah mich dann seltsam an und schaute auf meine Hand, sodass ich sie schnell wieder weg zog. Dann riet er vorsichtig: „Müsste das nicht umgekehrt sein? Wenn ICH eine Frau wäre? Aber da wäre die Konkurrenz wohl zu groß, was? Kann es sein, dass du mir damit was sagen willst?“

Ich fühlte mich ertappt und schaute schnell weg. Dann hörte ich, wie er scharf einatmete und murmelte: „Also doch...“ Verdammt! Ich wollte ihn doch nicht vergraulen! Aber er schien etwas zu ahnen, also nahm ich meinen Mut zusammen und begann: „Naja. Also weißt du Stevie, da gibt es eigentlich schon länger etwas, worüber ich mit dir reden will.“ „Nein!“, rief er da, so hastig, dass ich perplex aufschaute, „Nein, ich will es gar nicht hören! Nein! Nein, nein, nein!“ Er räumte eilig die Gläser zusammen und stand auf, um rein zu gehen. Kurz vor der Tür drehte er sich noch mal zu mir um: „Das kannst du mir doch nicht antun! Verdammt!“

So wütend und verzweifelt hatte ich ihn noch nie gesehen! Doch. Einmal. Als ich zur Armee ging und ihn zurück lassen musste. Es hat ihn damals sehr getroffen, nicht tauglich genug zu sein, um zu helfen. Aber wie hätte er das je überleben sollen? Er wollte unbedingt was tun, doch ich war froh, dass er nicht kämpfen musste. Ganz ehrlich, wenn ihn schon die verdammten Stadtjungens zusammen schlugen, obwohl wir gemeinsam boxen geübt hatten, wie hätte das in der Armee laufen sollen? Und dann später im Feld... Ich habe da viel Schlimmes erlebt. Ein Grund, warum ich es so weit gebracht habe.

Doch eine Sache hat mir dabei immer Hoffnung gegeben, egal wie schlimm es war: Stevie war in Sicherheit. Ich ging mit meinen Kameraden in die Welt hinaus, in den Krieg, damit der Krieg nicht zu uns kommen würde. Und das haben wir geschafft. Es ist damals keine Woche vergangen, in der ich Steve nicht geschrieben hätte. Nicht alle Briefe sind angekommen, aber doch die meisten. Und Steve hat mir immer geantwortet. So wusste ich, dass es ihm noch gut ging. Und so sauer er damals bei meiner Abreise war, so freudig hat er mich begrüßt, als ich endlich heim gekehrt bin. Ich denke, wir beide hatten da seit langem mal wieder das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Und jetzt...

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Ich wartete noch ein bisschen in der Dunkelheit, bevor ich ihm nach ging. Ich hatte Angst. Was sollte ich denn nun machen? Anscheinend wusste er wie ich für ihn empfinde und fand es widerlich. Wie sonst war seine Reaktion zu erklären? Ich gab ihm also etwas Raum und hielt Abstand, als ich ihn in seinem Zimmer werkeln hörte. Ich putzte mir die Zähne und ging ins Bett, aber Steve nebenan machte immer noch Radau, sodass ich mich wunderte. Ich kam also doch nachsehen und klopfte zaghaft an seine Tür. „Steve? Ist alles okay bei dir?“, fragte ich leise. Aber er gab keine Antwort. Wahrscheinlich war es doch zu leise, also versuchte ich es lauter: „Alles in Ordnung da drin Steve?“ „Hä, was? Ja, nein, komm rein Bucks, ich krieg den Ofen irgendwie nicht an.“, gab Steve zurück. Ich ging also rein. Steve hockte vor seinem Ofen und mühte sich mit der Zeitung ab, doch das Holz wollte einfach nicht. Der Ofen war noch recht neu, ich hatte darauf bestanden, dass Steve einen bekommt, weil er so schnell fror.

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Das war ein Dilemma, denn sein Zimmer lag mehr außen als meines, aber es war näher am Bad und da Steve leider oft Ärger mit seiner Verdauung hatte, wollte ich ihm da lange Wege ersparen. Es war uns beiden zwar zuwider im Sommer zu heizen, doch die Nächte konnten manchmal recht kalt sein und als ich das Haus kaufte hatte ich ihm versprochen, dass er ab jetzt nie mehr frieren müsse. Naja, anscheinend war das Holz dagegen. Steve setzte sich genervt aufs Bett und schlang die Decke um sich. Ich kam zögerlich näher und meinte: „Wenn du mich lässt, mach ich ihn dir an.“ Er nickte bloß und ich hockte mich also runter. Ich sah bald was das Problem war: Steve musste aus Versehen das frische Holz genommen haben, was noch zu feucht war. Er hatte wohl nicht so genau hin gefasst, vielleicht war es auch einfach zu kalt gewesen, sodass er nicht den Unterschied gemerkt hatte, jedenfalls hatte er es mal wieder übersehen.

Also erklärte ich ihm: „Stevie, das ist das falsche Holz, das muss noch trocknen. Ich hol dir was von meinem.“ „Nee lass. Ist nicht so wichtig.“, wollte er abwinken, aber ich sah ihn an und erklärte: „Es ist wirklich kein Problem, ich mach das gerne. Einfach als Freundschaftsdienst!“, beeilte ich mich hinzu zu fügen. Und als er dann skeptisch schaute, sagte ich: „Hör mal, mir ist die Freundschaft zu dir wichtiger als alles andere! Ich werd nicht mehr davon reden...“ Aber er unterbrach mich: „Das ist doch Quatsch, Bucky, du hast schließlich ein Recht auf ein eigenes Leben!“ Darauf musste ich blinzeln, sodass er ausholte: „Na, irgendwann werden wir drüber reden müssen, oder? Schon wegen der Kinder.“ Ich verstand nun überhaupt nichts mehr und mir wurde heiß und kalt, aber dann fragte er: „Es ist diese Agnes, oder? Du warst so begeistert von ihr und jetzt... Jetzt triffst du dich heimlich mit ihr woanders, damit ich nicht mitbekommen muss, was ich verpasse, oder? Aber wenn du sie heiratest, wird sie dir bestimmt bald ein paar süße Kinder schenken und spätestens dann braucht ihr doch das Zimmer!“

Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, worüber er überhaupt sprach, aber dann musste ich lachen: „Was? Haha, Steve, ich heirate doch nicht Agnes! Ich hab nichts mit der, schon lange nicht mehr!“ Er runzelte die Stirn und gab zurück: „Aber du warst doch glücklich mit ihr?! Und seitdem hast du keine Weiber mehr heim gebracht, außer mal diese zwei Schwestern und das war doch in erster Linie, weil du wolltest, dass sich eine dann für mich interessiert und ich nicht mehr allein bin!“ Ich war direkt wieder ernst und erklärte: „Naja, schon. Aber das mit Agnes war trotzdem nichts Festes, ich hab die schon ewig nicht mehr gesehen! Ich war halt... Ich will einfach keine losen Weiber mehr, okay? Zumindest bin ich erst mal bedient. In jedem Fall will ich gerade keine heiraten! Wie kommst du darauf?“ Er überlegte und antwortete dann: „Weil du übers Heiraten geredet hast und dann noch meintest, du musst mir was sagen. Also dachte ich, du versuchst mir zu erklären, dass ich mir bald was Eigenes suchen muss, weil du wieder... Also nicht weil DU weg gehst, aber weil du diesmal willst, dass ich weg gehe, damit Platz für deine neue Familie ist.“

Ich stand erleichtert auf und setzte mich neben ihn aufs Bett, legte ihm den Arm um die Schulter und stellte klar: „Nein Steve, ich geh nicht mehr weg! Und ich würde dich nie raus schmeißen, komme was mag! Du bist doch meine Familie! Du und ich, wir zwei gegen den Rest der Welt wenn es sein muss, wie früher. 'Bis zum bitteren Ende.', erinnerst du dich? Ich lass dich nicht allein!“ Er lächelte und lehnte sich an mich und ich rieb ihm spielerisch mit der Faust über den Kopf, worauf er mich sanft in die Seite boxte. Dann meinte er auf einmal: „Apropos wie früher: Weißt du noch, wie wir im Winter immer in einem Bett schlafen mussten, weil es so kalt war und wir kein Geld für Heizöl hatten?“ Oh ja, ich erinnerte mich! Es war eine schwere Zeit gewesen und es war nicht gerade gut für Stevies Gesundheit. Aber es war eine schöne Ausrede dafür, ihm nahe zu sein. Meist lag er dann in meinen Armen, ganz klein zusammen gekauert und ich hielt ihn mit meinem Körper fest und warm. Es war ein schönes Gefühl, ihm so nah sein zu dürfen. Und manchmal, wenn er schon fest schlief und ich mich sehr mutig fühlte, hab ich ihm in sein schlechtes Ohr geflüstert, wie lieb ich ihn habe, wie viel er mir bedeutet und wie sehr ich mir wünschte, dass er gesund wäre und wir zusammen sein könnten.

„Warum machen wir das nicht wieder?“, fragte er plötzlich. Ich sah ihn überrascht an. „Es ist ja nicht sooo kalt, aber ich friere trotzdem. Du müsstest dann nicht extra Holz holen und billiger wäre es auch.“, führte er aus, wobei er sich abwandte und stattdessen zum Ofen sah. Er zitterte leicht. Da war es für mich dann gar keine Frage mehr, ich wollte ihn wärmen, also erwiderte ich schlicht: „Okay. Warum nicht, es ist wirklich ein bisschen kalt.“ Er drehte sich zu mir um und sah verblüfft aus, doch dann grinste er und meinte: „Na dann... Ich rutsch rüber. Meinst du, die Decke reicht?“ „Natürlich reicht die! Ist doch für zwei gemacht!“, lachte ich, während ich zu ihm in die Laken kroch.

Als wir die Möbel ausgesucht haben, hatte Steve sich noch beschwert, weil er meinte, er bräuchte kein größeres Bett. Aber ich hatte ja die Hoffnung, dass er auch mal jemanden haben würde, der mit ihm schläft. Also begründete ich es damit, dass wir die Bettwäsche besser nutzen können, wenn beide Betten gleich groß sind. Ich wusste ja nicht, dass ich derjenige sein würde, mit dem er wieder das Bett teilt. Und auch was dann kam, hatte ich nicht geplant. Es ist einfach so passiert. Und es begann mit einer, eigentlich ganz natürlichen, unschuldigen Frage von Steve: „Du Bucky? Wie ist es eigentlich, wenn man mit jemandem schläft?“