Ich hab nie gedacht, dass aus uns was werden würde. Ich wollte Steve immer nur beschützen und für ihn da sein. Ich dachte nicht, dass mehr passieren kann. Ich bin damals im Krieg schnell aufgestiegen in den Reihen und dann, als alles vorbei war, hat man mir einen ruhigen Posten angeboten, bei dem ich mich nur noch um den organisatorischen Kram kümmern musste. Das war sehr bequem, ich konnte im Grunde von zu Hause aus arbeiten. Und mein Zuhause war bei Steve. Ich hab gutes Geld verdient, also hab ich mir einen Traum erfüllt und bin mit ihm aufs Land gezogen. Ich hab für uns ein Haus gekauft, schön geräumig, aber ebenerdig, damit Steve sich nicht mit den Treppen abmühen muss. Die Wände waren zwar etwas dünn, aber das war mir nur recht. Unsere Schlafzimmer lagen direkt neben einander, so dass ich es hörte, wenn er einen Anfall hatte und schnell bei ihm sein konnte. Umgekehrt war es natürlich so, dass er es mit bekam, wenn ich ein Mädchen bei mir hatte. Aber ich hab die meist ziemlich früh mit ins Bett genommen, so dass Steve noch im Wohnzimmer las oder Radio hörte und nicht zuhören musste. Den Mädels hab ich erzählt, ich möchte sie noch nach Hause bringen, damit es kein Gerede gibt und die Meisten haben das geglaubt. Dabei hat genau das dazu geführt, dass alle wussten, mit welcher Dame ich grade zusammen war und das war auch gut so!
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Ich hab eigentlich jedes Wochenende irgendwelche Weiber an gequatscht. Manchmal hab ich Steve überredet bekommen mit mir zu gehen, in der Hoffnung, dass irgendein Fräulein sich mal nach ihm um dreht und er auch mal die Chance hat mit einer zu tanzen. Aber es hat nie funktioniert. Sogar an dem Abend, wo ich zuletzt die beiden Schwestern abgeschleppt hatte, hat es nicht geklappt. Ich hab die noch gefragt: „Hey Betty, Nancy, nur mal als Idee... Was haltet ihr davon, wenn mein Kumpel noch dazu kommt?“ Ich wusste, dass Steve im Flur stand und mich hören konnte, auch wenn ich nicht wusste, wie er dabei wohl guckte. Doch ich konnte mir vorstellen, dass die Enttäuschung groß war als Nancy dann sagte: „Was, der Kleine? Weiß der überhaupt wie's geht?“ Ich warf noch ein: „Na was denn, du kannst ihm doch was beibringen, ist das nichts? Er wär bestimmt ein aufmerksamer Schüler!“ Aber da musste Betty lachen und kicherte: „Pah, der ist doch sicher so klein, dass man nichts spürt! Da nützt es auch nichts, wenn der sich anstrengt! Außerdem, sicher, dass er dann nicht kollabiert?“
Und dann haben beide so gemein gelacht, dass ich mich vergessen und gebrüllt habe: „Hey geht’s noch, das ist immerhin mein bester Freund von dem ihr da redet! Wie kannst du sowas sagen, du hast ja keine Ahnung, du blöde Pute!“ Die beiden waren davon ziemlich schockiert und haben sich dann schnell verabschiedet. Ich hab sie nicht heim gefahren. Sollten sie doch zu Fuß laufen, wenn sie sich über Steve lustig machen können! Als wir uns später beim Zähneputzen im Bad über den Weg gelaufen sind, hab ich gemeint: „Hey Steve, tut mir leid wegen eben. Diese dummen Trullas waren einfach unhöflich. Die hatten bestimmt beide zu viel zu trinken.“ „Müssen sie wohl, sonst wären sie kaum mit dir mit gegangen!“, hat er geantwortet und gelächelt, aber es sah nicht ehrlich aus.
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Ich hab einfach nie Glück gehabt mit den Frauen. Also zumindest, wenn es um Steve ging. Wenn ich in meiner Uniform in irgendeinem Tanzschuppen, oder einer Kneipe war, hat es keine drei Minuten gedauert bis sich mir irgendein Ding an den Hals geworfen hat. Aber ich hab mich dann umgesehen nach einer, die vielleicht was schüchtern ist, jemand der zu Steve passen könnte. Ich wollte so gern, dass er glücklich ist. Ich hab so einige Weiber an gequatscht, über die andere Kerle nur die Augen gerollt haben. Da war dieses dickere Mädel, Rachel, die aber total raubeinig und oberflächlich war, oder Cho, eine kleine Asiatin, die sogar kleiner als Steve war, aber trotzdem nen großen Mann haben wollte, und dann Martha, eine Frau die so groß war, dass sie sogar zu mir runter sehen musste. Bei ihr hatte ich noch das beste Gefühl, auch wenn ich mir vorstellen konnte, dass sie auf Stevie sehr einschüchternd gewirkt hätte.
Erst war sie auch direkt dagegen und meinte: „Also zunächst, wenn dein Freund sich nicht mal traut, die Frau selbst an zu sprechen, was soll ich dann davon halten? Du bist echt nett und es ist schön, mal mit wem tanzen zu können, aber nur als Stellvertreter...“ Ich hab versucht es ihr zu erklären: „Hör mal Martha, für Steve ist das echt nicht leicht! Er wird dauernd abgewiesen oder einfach ignoriert und die andern Typen machen sich dann lustig über ihn. Meist endet das dann in ner Prügelei und ich muss ihn da raus holen, nur weil ihn wieder kein Mädchen wollte... Ich will ihm ja auch nicht irgendein abgelegtes Mädel von mir andrehen, ich will doch nur, dass er auch mal mit einer tanzen kann. Und vielleicht mehr... Es ist echt schwer für ihn, weil er anders ist. Das kannst du doch nachvollziehen, oder?“ Sie hat darüber nach gedacht und dann gemeint, dass sie vielleicht bereit wäre dazu, aber sie wollte nicht mit zu uns kommen. Ich konnte das verstehen, nicht alle Frauen sind so mutig, oder so liederlich, direkt mit nem Mann nach Hause zu gehen, den sie gerade erst kennen gelernt haben. Also hatte ich aus gemacht, dass wir uns die Woche danach zu dritt treffen sollten.
Leider war Steve dann mal wieder krank geworden. Es kam öfter vor, dass er im Frühjahr und im Herbst eine schwere Erkältung oder sogar eine Lungenentzündung bekam. Das waren dann immer furchtbare Wochen, in denen er meist röchelnd im Bett lag und ich ihn mit heißen Tees, Suppe und Wärmflaschen versuchte, wieder auf zu päppeln. Ich war nie dankbarer dafür einen Job zu haben, bei dem ich zu Hause bleiben konnte. Ich musste nur einmal wöchentlich meine fertigen Papiere zur Post bringen und die neuen Aufträge abholen. Meist hab ich dann direkt eingekauft und bin schnell wieder heim gefahren. Dann hab ich mich bei Steve ans Bett gesetzt und dort die Unterlagen studiert, gerechnet, geschrieben und ihm ab und zu was zu essen oder seine Malsachen gebracht. Wenn es ihm was besser ging, hat er nämlich immer gezeichnet.
Einmal, das war noch bevor alles passiert ist, bin ich aus der Stadt zurück gekommen und er lag weinend im Bett, eine zerknüllte Zeichnung neben sich. Ich konnte nicht gut erkennen, um wen es ging, weil er alles mit dicken schwarzen Strichen übermalt hatte, bevor er sie zerknüllt hat, aber es schien ein küssendes Pärchen zu zeigen. Es brach mir das Herz, weil ich wusste, dass er sich einsam fühlte. Ich hab ihn in den Arm genommen und getröstet, er hat sich nicht einmal gewehrt, obwohl er sonst immer versucht hat, besonders stark zu sein, wenn er krank war. Wir haben nie darüber gesprochen. Ein paar Tage später war es wieder so, als sei nichts geschehen. Ich war irgendwann mit meinen Blättern durch und sagte: „Okay, ich bin fertig mit meiner Arbeit für heute.“ Und er entgegnete: „Ich auch.“, und hielt mir die Zeichnung hin, die er angefertigt hatte. Es war ein Portrait von mir! Als er meinen erstaunten Gesichtsausdruck sah, hat er einfach stolz gelächelt.