Kolinn weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, als ein besorgter Vater ins Zimmer stürmt. Er hat sich wieder auf die Treppe gesetzt und auf Nika aufgepasst, während sie schlief. Der Dämonenkönig sieht sich in seinem Thronsaal um und entdeckt Nika neben seinem Thron.
Doch auch hat er Kolinn bemerkt, der zwischen ihm und seiner Tochter sitzt. Schnell erhebt sich Kolinn und versucht sich auf der Stufe nieder zu knien, was ihm aufgrund der schmalen Treppenstufe nicht sonderlich gut gelingt. Trotzdem behält er das Gleichgewicht.
Angel geht auf Kolinn zu. "Du hast meine Tochter gerettet. Wer bist du. Und warum hast du dich in Gefahr begeben.", fragt er neugierig und zugleich anklagend.
"Herr König, all diese Fragen hat mir bereit meine Prinzessin gestellt. Doch ich will auch ihnen antworten. Mein Name ist Kolinn Dart. Ich bin ein Werwolf, ehemaliger Teilnehmer der Schildprüfung und nun Schild und Schwert Prinzessin Nika."
Die Wache neben dem König ruft laut aus: "Wie kannst du es wagen, unseren König so anzusprechen und dich als Schild seiner Tochter auszugeben. Du bist Abschaum der Glück hatte. Überschätze dich nicht!"
"Schweig!", donnert Angel seinen Untergebenen an.
"Aber eure Majestät?", fragt die Wache verwundert, "Er beleidigt euch und ... und eure Tochter."
Angel seufzt und zeigt auf seinen Hals: "Siehst du es nicht? Er trägt ihr Halsband. Er gehört ihr bereits. Außerdem hat er Nika nie beleidigt. Dieser Werwolf hat für sie gekämpft und sein Leben riskiert. Er tat mehr als gewisse andere hier. Führt sie herein und bereitet den Prozess vor. Und holt den Heiler."
Die Untergebenen des Königs eilen los. Die drei Wachen, die die Prinzessin beschützen sollten, es aber nicht getan haben, wurden am Ende der Treppe an den Boden Gekettet.
Diener kommen und zünden neue Fackeln an und erhellen den Raum mit rotem flackerndem Licht. Verschiedene Wesen in edlen Aufzügen nehmen auf Stühlen in ihren Sektionen platzt und starren die Angeklagten an und flüstern einander beratend zu.
Kolinn wird gebeten sich auf einen Stuhl zusetzen, der von einem Diener herbei geschafft wird. Ein einfacher Stuhl aus Holz gegenüber der Angeklagten, sodass sie sich anschauen können.
Zwei der ehemaligen Wachen starren ihm in die Augen. Der Hass sitzt tief, doch der eine, der Mitläufer starrt beschämt zu Boden.
Angel wartet bei seiner Tochter auf den Heiler. Endlich eilt er durch den Raum direkt zu Nika und untersucht sie auf Verletzungen.
Er erklärt Angel, was seine Tochter hat oder besser gesagt, was sie nicht hat: "Ihr Mana ist völlig verbraucht. Ihr Körper muss es regenerieren. Ich habe ihr gerade ein wenig Blut gegeben. Wie ihr wisst enthält es das Mana in der reinsten Form, doch ich habe nicht genügend, um ihr mehr zu geben, außerdem besteht ein gewisses Risiko, dass sie es nicht verträgt."
"Kann sie an dem Prozess teilnehmen, ohne sich selbst zu gefährden?", fragt Angel.
"Eigentlich sollte sie jetzt zur Ruhe kommen und sich ausruhen, aber sie sollte jetzt genug Kraft haben für den Prozess. Danach bestehe ich Allerdings auf die Pause, eure Majestät", antwortet der Heiler.
"Danke", flüstert Nika während sie sich aufrappelt. Angel winkt mit der Hand und die Diener bringen einen kleineren, aber ebenso bequemen Thron, wie der des Königs.
Angel hilft Nika sich darauf zu setzen. Dann nimmt er selbst auf seinem Thron Platz, während der Heiler auf einem kleinen Hocker hinter Nika setzt und seinen Koffer mit Heilmitteln sortiert.
Der Raum wird auch wieder leiser. Die Gespräche werden eingestellt und die Erwartungen an den Prozess steigen. Noch nie kam es vor, dass Wachen angeklagt worden sind.
Dämonenkönig Angel eröffnet den Prozess: "Wir beginnen mit dem Prozess, möge die Anklage verlesen werden."
Ein Dämon, in feiner Seide verlässt seinen Platzt im Zuschauerbereich und stellt sich zu Kolinn. Bevor er sein Wort erhebt, verbeugt er sich vor seinem König.
Dann beginnt er zu reden: "Es ist wirklich eine Schande. Vor euch stehen drei Verbrecher. In ihrer langen Dienstzeit haben sie schon die ein oder andere Schandtat begangen. Sie haben ihr wahres Gemüt hinter ihrer Uniform versteckt."
Er zeigt auf die Angeklagten, während um sie herum läuft. Er beendet seine Runde und bleibt im Rampenlicht stehen.
Er verkündet hohen Hauptes: "Diese Angeklagten haben nicht nur die Befehle ihrer Majestät missachtet, sondern auch einem Retter die Hilfe verwehrt und ihn sogar behindert. Der neue Schild der Prinzessin musste sich mit Gewalt durchsetzen, um seine Pflicht erfüllen zu können. Meinem Mandanten trifft keine Schuld. Im Gegenteil! Er sollte Belohnt werden für sein Selbstloses handeln."
Er verbeugt sich erneut vor dem König. Ein dunkler Tiermensch steht auf. Er ist nicht in Seide, sondern in eine der Wachuniformen gekleidet. Sein Aussehen ähnelt einem Stier. Er tritt ebenfalls vor den Dämonenkönig und verbeugt sich.
Danach beginnt er seine Kameraden zu verteidigen: "Mein König, meine Kameraden haben nicht der gleichen gemacht. Ihnen irgendwelche Verbrechen anzuhängen, welche sie begangen haben sollen, ohne Beweise vor zu legen, kommt einem Verbrechen gegenüber der Gesetze und der Ehre der Wachen gleich. Erfüllt von Diensteifer standen sie vor Nika und haben sie vor diesem wilden Mischling beschützt."
Ein Raunen geht durch die Menge, als Kolinn beleidigt wird. Der Blick der Prinzessin verfinstert sich. Kolinn hingegen bleibt gelassen. Er ist es gewohnt beleidigt zu werden.
"Die Auswahl dieses Wesens ist ohne Zustimmung aller erfolgt. Er hat sich selbst auf diese Position geschlichen. Nur weil einmal sein Leben für die Prinzessin riskierte, tun wir jetzt alle so, als ob er nun ein Heiliger währe."
Wütendes Gemurmel durchzieht die Zuschauenden.
"Außerdem!", versucht die Wache sich über das Gemurmel hinweg zu setzen, "War die Gefahr die von dem Attentäter ausging gering. Selbst meine schwächsten Kameraden könnten ihn mit Leichtigkeit besiegen. Einzig allein seine Fähigkeit zu täuschen war sein Markenzeichen. Der König hat uns befohlen, ihn in den Garten zu folgen. Diese drei sollten auf die Prinzessin aufpassen. Sie haben sich gegen Kolinn gestellt, um selbst Gestaltwandler aufzuhalten. Während sie ihre Pflicht erfüllten, hat dieser sie Hinterhältig angegriffen. Daher plädiere ich, dass wir ihn verstoßen."
Mit seinen letzten Worten gesellt er sich mit einem Lächeln zu seinen Kameraden. Die erste Phase des Prozesses ist beendet.
Angel winkt mit der Hand. "Bringt den Attentäter herein.", befiehlt er.
Die Türen öffnen sich und Asflorian wir in den Raum geführt und in etwas Abstand zu den Angeklagten an den Boden gekettet.
Innerhalb von wenigen Stunden ist sein gesamter Stolz verschwunden. Seine Wunden wurden nur dürftig versorgt. Nur weil er noch was weiß, ist er noch am Leben. Also wird er nichts verraten.
Der Dämon, der für Kolinn redet hat sich während dieser Unterbrechung mit ihm besprochen. Nika hofft, dass sie jetzt einen guten Plan haben.
Er bittet um das Wort und mit einem Nicken des Königs erhält er es. "Eure Majestät, diese Kreatur entstammt unseren dunkelsten Albträumen. Mit einem falschen Lächeln täuscht er alle und hat sich Zugang verschafft. Selbst unsere Prinzessin unterlag seinem falschen Grinsen. Es gab keinen der sein falsches Spiel erkannte, außer Kolinn Dart. Er hat Nika aus dem freien Fall vor dem Tod gerettet. Und sich danach mit ihm gemessen. Selbst die Täuschung, die der Dämon hinterließ hat er durchschaut. Etwas, was nicht die Wache geschafft hat. Nicht einmal unser König, ihr Vater, hat die Täuschung in seinem Zorn bemerkt. Nicht dass ich anders hätte handeln können."
Eine sehr gewagte Strategie. Er hebt Kolinn in seinem Handeln über den Dämonenkönig. Wenn also Angel nun Kolinn verurteilt, verurteilt er sich selbst.
"Dieser Scharlatan ist ein guter Redner, aber auch er kann die Wahrheit nicht verdrehen. Meine Kameraden haben keine Fehler gemacht. In unserer Ausbildung gab es nie eine solche Situation. Falls ihr also diese hier verurteilt, müsst ihr alle verurteilen. Ich meine alle Wachen. Wir wissen nun um unsere Schwäche und werden alles tun um diese zu beheben."
So gehen die Diskussionen noch weiter und der Prozess zieht sich in die Länge. Endlich hebt der Dämonenkönig seine und bittet um einen abschließenden Satz.
Der Verteidiger Kolinns erklärt. "Kolinn hat mehr getan als er müsste, weil diese drei nicht ihrer Pflicht nachgekommen sind."
"Meine Kameraden wurden ihrer Pflicht beraubt, als der Mischling seine Befugnisse überschritten hat.", beendet der Verteidiger aus den Reihen der Wachen die Diskussion.
"Hat der Angeklagte Asflorian noch etwas zu sagen?", fragt Angel.
Dieser schüttelt mit dem Kopf.
Eine Pause folgt. Die Spannung im Raum ist zu spüren. Nika rutscht unwohl auf ihrem Stuhl hin und her. Alle warten gespannt auf das Urteil. Mehrere Minuten vergehen, während der König die Beteiligten mustert.
Kolinn versucht selbstsicher auf seinem Stuhl zu sitzen, doch es gelingt ihm nicht. Nur das zischen und flackern der Fackeln ist zu hören. Der Saal ist still. Jedes Flüstern würde die stille zerreißen und keiner traut sich es zu tun.
Der Dämonenkönig erhebt sich, steigt die Treppe herab und baut sich vor Kolinn auf. "Ich weiß nicht, was du Nika geschworen hast, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich selbst, sah deine Fähigkeiten nicht. Ich kenne dich nicht. Und doch scheint meine Tochter eine gute Wahl getroffen zu haben. Aber sei dir zwei Dinge gewiss. Ich werde dich testen. Du wirst nicht wissen wann, wo und wie. Aber etwas wird geschehen. Und wenn du versagst oder in irgendeiner anderen Situation nicht für sie da bist, bist du nicht mehr da."
Kolinn verbeugt sich vor dem König. "Herr König, ich habe ihrer Hoheit nicht weniger als mein eigenes Leben geschworen. Ich gehöre ihr und werde sie vor jeder Gefahr schützen. Darüber hinaus liegt es in meiner Verantwortung ihr ihre Feinde vor die Füße zu liegen, denn das Leben dieser Narren sind ebenfalls ihr geweiht."
Der Dämonenkönig nickt. "Damit ist auch Nika für deine Bestrafung zuständig."
Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, dreht er sich um und schaut auf die Wachen. Sie winden sich unter seinem Blick. Selbst ihr Verteidiger, der keiner Strafe angeklagt ist, macht zwei Schritte zurück.
"Ihr habt eure Aufgabe nicht erledigt und schlimmer noch habt ihr jemanden aufgehalten und festnehmen wollen, der euch helfen wollte. Allein dafür solltet ihr die höchst Strafe bekommen." Wieder starrt Angel auf die Unglücklichen vor ihm. Sie zittern, während sie auf ihr Urteil warten.
"Eure Majestät, ich bin mir keiner Schuld bewusst, das ich nur befehle befolgt habe.", beginnt der erste.
This text was taken from Royal Road. Help the author by reading the original version there.
"Ich habe ebenfalls nur gemacht, was mir befohlen wurde.", klagt der Zweite.
Beide schauen zum dritten herüber. Dieser ist erstaunt und verletzt. Sein Gesicht wird blass, als er erkennt, dass die zwei ihn Opfern wollen. Und dann fragt ihn auch noch der Dämonenkönig: "Stimmen diese Anschuldigungen?"
Er stammelt etwas Unverständliches. Die anderen beiden nutzen ihre Chance ihn weiter unter Druck zu setzen. Was habe ich den anderen denn getan? Warum verraten sie mich? Ich habe mich immer aus allen Konflikten heraus gehalten. Und wenn ich mich doch entscheiden musste, bin ich immer geflohen.
Mit einer einfachen Handbewegung zwingt der Dämonenkönig den ersten beiden zu schweigen. Dann wieder holt er seine Frage: "Stimmen diese Anschuldigungen?"
Gefragt ist ein Nein oder ein Ja. Doch für was entscheidet er sich nun? Bei einem Nein werden ihm die anderen Wachen das Leben zur Hölle machen. Bei einem Ja wird er verurteilt. Was ist die beste Option. Bevor er aber zu einer Entscheidung kommt, antwortet jemand anderes für ihn.
"Er ist lediglich ein Mitläufer ", sagt Kolinn, "Zwar ist dies auch ein Verbrechen, aber er sollte nicht dafür belangt werden, was die zwei Täter aktiv getan haben."
Ohne den Kopf zu drehen, fragt der Dämonenkönig: "Wie bist du dir da so sicher?"
"Herr König, wollt ihr mir etwa sagen, dass ihr es nicht seht?"
Bevor seine Untertanen bei diesem etwas respektlosen Ton anfangen Kolinn zu beleidigen, fragt Angel: "Doch, ich erkenne es. Ich will bloß wissen, wie du es erkannt hast."
Kolinn seufzt kurz, beginnt aber danach mit seiner Argumentation: "Er zittert am ganzen Körper. Ich kann seine Angst riechen. Sein Blick zeigte Überraschung, nicht Wut. Wenn er das Kommando hätte und verraten würde, wäre er wütend oder hasserfüllt, nicht Überrascht. Außerdem, als sich seine zwei Kumpanen gegen mich stellten, trat er zwar nicht für mich, aber machte auch keine Anstalten mich zu behindern."
Angel nickt nachdenklich, während er die Argumente prüft. "Interessant", meint Angel zufrieden. "Dennoch werde ich ihn bestrafen. Eine Wache, die nicht für unsere Gerechtigkeit einspringt wird nicht geduldet. Du wirst in das Ausbildung Lager versetzt. Wenn du die dortigen Test bestehst werden wir sehen, ob du wieder ein Teil der Garde werden kannst. Beweise dich!"
Dann widmet er sich den anderen. Ihre Angst ist nun deutlich sichtbar geworden. Ihr bluff ist gescheitert. "Ihr zwei werdet von eurem Dienst ausgeschlossen und verbannt. Ihr habt drei Tage Zeit das Dämonenreich zu verlassen.", entscheidet der Dämonenkönig, "Schafft sie mir aus den Augen."
Er macht eine scheuchende Handbewegung und kehrt zu seinem Thron zurück. Die Zuschauer bleiben noch sitzen während die Verbrecher heraus geführt werden.
Asflorian wird wieder in seinen Kerker verlegt und der Informationsbeschaffungsmassnahmen unterlegt. Er wird später verurteilt werden. Die Zuschauer verlassen nun auch den Thronsaal.
Der Arzt untersucht noch einmal Nika und gibt ihr zwei Mittel, damit sie sich besser erholen kann. Nika ist etwas blass um die Nase und kann ihre Augen kaum noch offenhalten.
Kolinn bedankt sich bei seinem Verteidiger und eilt zur Prinzessin, um seine Aufgabe zu erledigen. Der Arzt und Angel stehen zwei Schritte entfernt, um die neuen Behandlungsmethoden zu vereinbaren.
Kolinn muss sich beeilen. Denn bevor sie vom Thron fällt, fängt er sie auf. Er nimmt sie auf seine Arme. Und mit der Zustimmung des Doktors, bringt er sie zu ihrem Zimmer.
Diese Aufgabe wird aber schwieriger als gedacht. Für seine siebzehn Jahre ist er muskulös gebaut, daher ist die kleine leichte Prinzessin auch kein Problem.
Aber er kennt sich absolut nicht im Schloss aus. Das ist ein Problem. Denn schon endet sein Gang in einem anderen. Links oder rechts? Beide Gänge sehen exakt gleich aus. Also wo lang. Er geht einfach nach Links. Irgendwann wird er schon ihr Zimmer finden. So irrt er noch eine Weile im Schloss herum.
Als er zum dritten Mal mit der Prinzessin im Arm an der Küche vorbei läuft. Tritt eine Dienstbotin an ihn heran. Ihre zwei spitzen Zähne stechen unter ihrer Oberlippe hervor und weisen sie als Vampir aus.
Sie verbeugt sich vor Kolinn und fragt: "Kann ich euch behilflich sein werter Werwolf. Wie oft wollt ihr noch mit der Prinzessin an dieser Tür lang laufen?"
Zögerlich antwortet er: "Ja, ich würde gern wissen, wo die Gemächer der Prinzessin liegen. Sie soll sich ausruhen." Nika hingegen schläft in den Armen Kolinns.
"Wenn ihr erlaubt, werde ich euch führen." Mit einer erneuten Verbeugung geht sie voraus. Kolinn folgt ihr und versucht sich den Weg zu merken. Doch es sind einfach zu viele Gänge, Etagen und Hallen, durch die sie hindurch gehen. Die Vampirin bleibt vor einer großen Tür stehen.
Zwei Wachen stehen an der Tür und sobald sie die Prinzessin in Kolinn Armen erkennen treten sie zur Seite und öffnen die Tür. Dahinter liegt ein kurzer Gang mit einer viel kleineren Tür. Die Dienstbotin öffnet diese und bittet Kolinn herein. Sie folgt ihnen und schließt die Tür.
Kolinn bleibt der Atem weg. Noch nie hat er auch nur einen zu prächtigen Raum gesehen. Kräftige Farben schmückenden die Wände. Das riesige Bett, große Schränke und bequeme Sitztmöglichkeiten füllen den Raum aus. Eine Kammer, die durch einen Vorhang abgedeckt wird, wird als begehbarer Kleiderschrank genutzt. Eine ganze Ecke des Zimmers ist mit einem prallgefüllten Schminktisch besetzt.
Er bringt Nika in ihr Bett und deckt sie zu. Sie rollt sich unter der Decke zusammen und schläft weiter.
Kolinn reckt und streckt sich. Was beinhalten nun seine Aufgaben als Schild und Schwert der Prinzessin. Seine Schwertrolle kennt er bereits. Immer wenn die Prinzessin ihm einen Befehl erteilt, wird er losstürmen und ihn erfüllen. Doch wie soll er sie dauerhaft verteidigen. Wo soll er sich verstecken, um Feinde frühzeitig erkennen zu können.
"Was macht ihr noch hier?", fragt die Vampirin, die immer noch vor der Tür steht und ihn misstrauisch beobachtet.
"Wie bitte?", fragt Kolinn, als er aus seinen Gedanken hochschreckt.
"Wer bist du? Ich habe dich noch nie gesehen. Außerdem hast du deinen Job erledigt, also geh.", sagt sie und deutet auf die Tür.
Kolinn schüttelt mit dem Kopf: "Meine Arbeit hat doch gerade erst begonnen. Ich bin Kolinn Dart, der Schild unserer Prinzessin."
Die Augen der Vampirin werden groß. "Du hast dir diese Ehre erkämpft?", fragt sie.
Kolinn nickt. Aber genauso schnell wie die Freundlichkeit der Vampirin gekommen ist, verschwindet sie auch wieder. "Ich gehe davon aus, dass ihr hier bleiben wollt, um aus sie aufzupassen?", fragt sie, aber ohne eine Antwort abzuwarten, öffnet sie die Tür. Bevor sie aber geht, sagt sie: "Es wird hier ein kleiner Raum für den Schild errichtet werden. So lange nehmt doch auf einen der Sessel Platz."
Dann geht sie und schließt die Tür hinter sich. Kolinn bleibt mit Fragen zurück. Er dreht sich noch einmal durch den Raum, um ihn sich einzuprägen.
Danach stellt er einen der Sessel in eine Ecke. Hier wird er nicht so schnell entdeckt werden, hat Nika, das Fenster und die beiden Türen im Blick. Dann setzt er sich und hält wache.
Die Freiheit, die Möglichkeiten. Nika fliegt über eine mit rotem Grass bewachsene Wiese. Einige Bäume stehen in einiger Entfernung. Die Wiese ist umrahmt von hohen dunklen Bergen. Die Sonne ist schon lange untergegangen und der Mond scheint Hell.
Die Frau ist wieder bei ihr. Sie sitzt auf einer Decke mitten auf der Wiese. Neben ihr steht ein Picknickkorb. Sie sieht ihr so ähnlich aus. Als wäre sie ein Teil von Nika. Nur hat sie nichts von ihrem Vater.
Warum erscheint sie mir immer wieder. Ich kenne sie doch gar nicht. Immer wenn Nika sie nach ihrem Namen gefragt hatte, ist sie der Frage ausgewichen. Irgendwann hat Nika aufgehöhrt zu fragen. So ist es einfach angenehmer und sie haben mehr Zeit über anderes zu sprechen.
Gerade steht die Sukkubus Dame auf. Dann klappt sie ihre kleinen Flügel aus und fliegt zu Nika hinauf. Schnell schließt sie zu ihr auf.
"Täck, du bist dran!", ruft sie und fliegt lachend los.
Nika direkt hinterher: "Dich krieg ich!"
Kreischen und lachend fliegen sie noch eine Weile über den Himmel. Die Zeit vergeht, ohne dass sie es merken. Die ersten Sonnenstrahlen scheinen schon in das Tal, als sie vor Erschöpfung wieder auf der Decke landen. Die letzten Lacher verschwinden, während sie nach Luft schnappen. Die Dame lächelt Nika an und Nika lächelt zurück.
"Was ist los?", fragt sie auf einmal.
"Was meinst du?", fragt Nika und schaut verwundert zu ihr, "habe ich irgendetwas falsch gemacht?"
"Nein.", sagt die Dame immer noch lächelnd. "Es geht nicht darum ob du etwas falsch gemacht hast. Dich bedrückt etwas. Möchtest du mir davon erzählen?"
"Woher weißt du das?", fragt Nika stattdessen. Es ist nicht so, dass Nika ihr nicht immer von ihren Problemen erzählt. Aber normalerweise entscheidet sie, was sie erzählen will.
Sie dachte ihre Maske sein undurchdringlich. Sie trägt sie, seitdem sie immer wieder ausgegrenzt wird. Nur so kann sie ihr lächeln beibehalten. Nur ihrem Vater gegenüber hat sie diese jemals abgenommen.
"Ich bin deine Mu.... Ich meine, ich bin immer bei dir. In deinem Kopf und in deinem Herzen. Ich weiß, wenn dich etwas bedrückt."
Nika nickt und überlegt, ob sie etwas verraten will. Und vor allem was sie verraten will.
"Ich werde alles bei mir behalten. Keine Sorge.", sagt die Dame, "Außerdem musst du mir nichts erzählen. Nur wenn du willst." Nika überlegt weiter. Geduldig wartet die Dame auf eine Antwort.
"Also", beginnt Nika dann zu erzählen, "Ich hatte heute eine Wahl zu treffen. Ich sollte meinen Schild erwählen. Es hat so gut angefangen. Vater hat mir alles erklärt und mich umarmt und unterstützt. Doch dann hat einer ihn beleidigt. Und ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten."
Kleine Tränen fließen über ihre Wangen. Schluchzend erzählt sie weiter: "Ich ... Ich habe jemanden getötet. Ich habe ein Leben genommen." Ihr Kopf sinkt nach unten und große Tränen fließen zum Boden.
Schnell ist die Dame an ihrer Seite und schließt ihre Arme und sie. Nikas schluchzen wird zu einem heulen. Die Dame streichelt ihr über den Rücken. "Du hast lediglich dich selbst und alles was dir wichtig ist verteidigt."
"Aber ich habe getötet. Ich bin doch nun schlecht. Ich bin Böse. Genau das was immer alle gesagt haben. Ich bin das Monster, gegen das alle hetzen. Der Priester hatte Recht. Ich hätte gar nicht geboren werden dürfen. Ich mach nur Ärger."
"Schluss jetzt!" Die Dame schüttelt sie. Nun stehen auch ihr Tränen in den Augen. "Du bist kein Ärgernis. Du bist ein Geschenk. Dein Leben ist nicht vergeblich. Wirf es doch nicht so einfach weg. Es tut mir so leid, dass ich nicht für dich da sein konnte. Ich hätte dich wirklich gern beschütz. Angel braucht dich. Ich brauche dich. Wir sind stolz auf dich und alles was du bisher geschafft hast."
Nika schüttelt mit dem Kopf. "Ich habe doch noch gar nicht gemacht."
"Du hast dich bis hierhin durchgekämpft. Du bestehst Prüfungen, die kein anderer jemals bestehen musste. Es macht dich zu dem, der du bist. Ein wundervolles und beindruckendes Mädchen."
Nika bleibt währenddessen die Sprache weg. So etwas hat noch nie jemand zu ihr gesagt und sie spürt, dass es wahre Worte sind. Gefühle ziehen durch ihr Herz, von denen sie dachte, sie schon lange verloren zu haben.
Aber wie soll das gehen? Alle verabscheuen sie. Nur ein anderer ist für sie immer da gewesen. Nur einer? Sie war auch immer da.
In ihrer Umarmung kann sie den Herzschlag fühlen, der in der Dame schlägt. Er ist absolut Synchron mit ihrem.
"Ich bin immer für dich da. Und werde immer hier auf dich warten. Teile dein Leid mit mir."
Nika nickt. "Es gibt noch etwas was mir Sorgen macht.", sagt sie.
"Ist es der Junge? Kolinn heißt er oder?", fragt die Dame.
"Ja. War es richtig ihn zu diesem Leben zu zwingen, in dem er nun gefangen ist?"
"Hast du ihn den gezwungen? Erinnere dich. Was hat er zu dir gesagt, nachdem er dich gerettet hat.“
"Er sagte: "Ich vertraue euch, wie auch ihr mir vertrauen könnt.""
Diesmal nickt die Dame und Nika erkennt, dass es seine Entscheidung, sein Wunsch war ihr zu dienen. Er hofft auf sie.
"Kämpfe für die, die auf dich hoffen. Im Moment sind wir noch zu dritt. Doch sobald alle erkennen, wer du wirklich bist, werden sie an dich glauben."
Über die Berge erschallt Kollins Stimme: "Euer Hoheit, Prinzessin kommt zu euch. Es ist alles in Ordnung. Was habt ihr denn?"
Die Dame lächelt bei seinen Worten. Dann sagt sie: "Du bist unsere Hoffnung und unsere Zukunft" Ein letzter Drücker von ihr.
Dann rückt sie ein Stück zur Seite. Nika wird leichter und beginnt von allein zu fliegen. "Warum?", fragt sie.
Die Dame lächelt. Die Umgebung verblasst. Nika starrt in ihre Augen und sie starrt zurück. Das tiefe Lila füllt ihre Augen völlig aus. Nika starrt mit ihren Augen zurück. Das Linke ist ebenfalls Lila, aber bei weitem nicht so kräftig. Ihr Rechtes Auge hingegen hat die Farbe ihres Vaters: ein kräftiges Rot.
"Prinzessin! Alles ist Ordnung bei euch?", erschallt wieder Kolinns Stimme. "Geh!", sagt die Dame ermutigend. "Sie warten auf dich." Dann verblasst die Gegend ganz und es wird alles schwarz.
Nika schlägt Augen auf. Die Umrisse der Welt um sie herum, nehmen Gestalt an und füllen sich mit Farbe.
"Alles in Ordnung bei euch?" Ihr Blick wandert nach rechts. An ihrem Bett steht Kolinn. Seine Augen sind mit Sorgen gefüllt.
"Mir fehlt nichts. Warum schreist du denn nur so rum?", fragt Nika zurück.
"Ich habe bemerkt, dass ihr euch unruhig hin und her geworfen habt und dass ihr euch unkontrolliert verwandelt habt.", sagt er und fügt dann noch schnell hinzu, "Ich habe euch nicht beim Schlafen beobachtet."
Betretendes Schweigen folgt.
Nach einer Weile unterbricht Kolinn es: "Der Doktor war vorhin hier und wollte schauen, wie es euch geht. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihm Bescheid zu sagen, wenn ihr aufwacht. Wenn ihr es gestattet, gehe ich ihn holen."
"Ja tu das.", antwortet Nika und legt sich wieder zurück.
Die Zeit vergeht. Kolinn braucht zwar etwas zu lang, kehrt aber mit dem Arzt wieder zurück. Scheinbar muss er sich noch mehr mit dem Gebäude auseinander setzen.
Der Arzt stellt ihr Fragen und sie antwortet. Fragen wie es ihr geht, woran sie sich erinnert, was sie braucht und und und. Kolinn hingegen hat sich wieder in eine Ecke zurückgezogen.
"Scheinbar konntet ihr euch gut erholen. Ich stelle keine Manamangelerscheinungen fest.", sagt der Arzt und packt seine Sachen zusammen, "Ich werde eurem Vater berichten. Er hat sich schreckliche Sorgen gemacht. Ich glaube er hat mit dem Frühstück auf euch gewartet."
"Ich werde kommen.", meint Nika und schlägt die Decken zurück. Dann springt sie aus dem Bett und geht in ihren Kleiderschrank.
Der Arzt verbeugt sich und verlässt ihr Zimmer. Sie braucht nicht lang, bis sie sich umgezogen hat. Als sie ihren Kleiderschrank verlässt, schaut sie zu Kolinn herüber.
"Kann ich so raus gehen?", fragt sie verlegen.
Kolinn nickt: "Es passt euch sehr gut."
Ein langes schwarzes Kleid, ohne Verzierungen und trotzdem elegant. Er geht zur Tür und öffnet sie. Sie folgt ihm.
"Bist du dir sicher, dass das der richtige Weg ist?", fragt sie, als er gerade in die falsche Richtung abgebogen ist.
"Ist falsch zu sagen, dass ihr doch bitte voran gehen solltet bis ich mir die Wege besser merken kann?", fragt Kolinn kleinlaut.
Nika lacht. Seit Ewigkeiten, hatte sie keinen Grund mehr dazu.