Ich hatte die ganze Zeit schweigend zu gehört, während die Ereignisse so aus Stevie raus sprudelten. Ich versuchte ihm Halt zu geben, indem ich seine Hand hielt. Ich litt mit ihm. Spürte seine Angst, seine Verzweiflung, seinen Ekel. Und wie sehr er sich schämte. Dabei hätten sich diejenigen schämen sollen, die ihm das angetan hatten. Und ich meinte nicht nur die Freier die ihn benutzten, sondern schon diese verdammten Bastarde, die ihn um seinen Job, seine Gesundheit und dann um sein Zuhause gebracht hatten. Ich spürte so viel Wut in mir auf steigen. Wenn ich jetzt vor diesen Menschen gestanden hätte, hätte ich wohl dafür gesorgt, dass dieser Hank nicht alleine blieb.
Dann überraschte mich Steve mit einer Frage, die er so provokant aus sprach, dass ich gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte: „Aber weißt du, was das Schlimmste an allem war? Warum ich mich so gut daran erinnern kann? Ich glaub nämlich doch inzwischen, ich hätte so tun können, als wäre alles ein böser Traum gewesen. Ich hatte Kopfweh, hab schon verschwommen gesehen, und musste zwei mal nach zählen, als er mir das Geld gab. Ich war so fertig. Aber ich Idiot bin dann zur Beichte gegangen. Ich wollte es weg waschen. Und weißt du, was dieser Pfarrer dann gemacht hat?“
Ich strich ihm sanft über die Hand. Sie war so kalt. Ich überlegte. Ich wusste noch von früher, wie peinlich die Gewissensprüfung sein konnte. Wie genau es die Priester manchmal haben wollte, damit man auch ja ein sah, was man falsch gemacht hatte. Aber Steve konnte doch nichts dafür! Also riet ich: „Hat er dir die Schuld gegeben?“ Zu meiner Überraschung sah Steve mich endlich wieder an. Er war ganz blass, nur seine Augen waren rot verheult, und es zerriss mir das Herz. Wäre die Trennwand nicht gewesen, hätte ich ihn sofort in den Arm genommen.
Aber er schnappte verbittert: „Natürlich war ich Schuld! Ich war eine billige Straßennutte, die für Geld alles macht, hatte er doch schon fest gestellt!“ „Der Idiot wusste nicht wovon er redet!“, wollte ich einwerfen, da erzählte er den Rest: „Und er hat sich darauf Einen runter geholt!“ Ich starrte meinen Freund entgeistert an. Der bekräftigte: „Er hat es wie immer ganz genau haben müssen, hat nicht locker gelassen, bis ich jedes Detail erzählte, sodass ich alles noch einmal durch machen musste. Und hat immer wieder behauptet, es müsse mir gefallen haben, sonst wäre ich weg gerannt. Und irgendwann hab ich gemerkt, dass er dabei an sich rum spielt.“ „Dieser Wichser!“, schrie ich aufgebracht, viel zu laut für diese Zeit, noch dazu in einer Kirche. Doch obwohl Steve zusammen gezuckt war, entgegnete er lapidar: „Wortwörtlich. Da bin ich dann zumindest vor ihm weg gerannt. Und seitdem nicht mehr in einer Kirche gewesen. Es kommt einfach alles wieder hoch.“, dann schlug er die Augen nieder.
Und ich Vollidiot hatte ihn her gebracht! Ich hatte gehofft, er könne sein Gewissen erleichtern, seine Seele reinigen von der Scham und den Schuldgefühlen. Stattdessen machte ich es noch schlimmer für ihn. „Gott, Steve, es tut mir so verdammt leid! Das wollte ich nicht.“, versicherte ich. Mein Freund zuckte mit den Schultern, und meinte scherzhaft: „Tja. Wann immer ich richtig am Boden bin, wollen mich andere Kerle ficken. Anscheinend hab ich diesen Effekt bei Männern.“ Dann sah er mir in die Augen und gab mir ein gequältes Lächeln.
Ich zuckte ertappt zusammen, aber ich beteuerte: „Nein Steve, das ist... das liegt nicht an dir, du hast da keine Schuld dran! Ich... ich würde mir eigenhändig das Ding ab schneiden, ehe ich dich damit verletze!“ Er runzelte etwas die Stirn, erklärte jedoch: „Du bist ja auch anständig. Aber irgendwas muss es ja sein, was ich an mir hab. Sonst würde mich doch keiner dafür nehmen.“ Ich schüttelte langsam den Kopf, da setzte er hinzu: „Immerhin dafür bin ich gut genug. Und gewollt.“ „Ich will dich!“, rief ich aus, und als er verdutzt guckte, führte ich mit heißem Gesicht aus: „Und ich will nichts dafür haben! Ich will einfach, dass du bei mir bist, und es dir gut geht! Einfach weil du Steve bist, mein bester Freund! Weil du ein tolle Mensch bist, freundlich und clever und lustig, und einfach liebenswert! Weil du es verdient hast, nur deshalb!“
Stolen from Royal Road, this story should be reported if encountered on Amazon.
Steve sah mich perplex an. Dann lächelte er gerührt und hauchte: „Wow. Mann Bucky, das klingt ja fast, als wärst du in mich verliebt!“ Ich musste erschrocken schlucken, aber er sah schon wieder auf seine Schuhe, und merkte nicht, wie ertappt ich ihn ansah, als er hinzu fügte: „Du bist wirklich ein guter Mann. Du hast ein gutes Herz.“, dann verzog er das Gesicht, „Und genau deshalb kannst du es auch nicht verstehen.“ Ich riss mich zusammen und versicherte: „Doch Stevie, ich verstehe es! Du konntest nichts dafür, es war der einzige Ausweg für dich, das ist nicht deine Schuld! Du brauchtest das Geld, aber ich kann dich versorgen, wirklich! Bitte Steve, uns fällt schon was ein, was du machen kannst, wir können doch weg ziehen, in eine andere Stadt, wo man dich nicht kennt, wir können von vorne anfangen, und solange kümmere ich mich eben um dich!“ „Bucks, ich will nicht...“, wollte er einwerfen, doch ich beteuerte: „Ich meine es ernst! Ich würde eher hungern, als dass ich dich da weiter arbeiten lasse!“
Aber zu meinem Erstaunen sah er mich da plötzlich böse an und wiederholte erneut: „Du kannst doch nicht einfach über mich bestimmen! Es ist mein Zuhause! Ich arbeite dort, ich verdiene da mein Geld, immerhin das kann ich, warum willst du mir das letzte bisschen Würde weg nehmen, was ich noch habe?!“ Er war immer lauter geworden, doch dann wandte er sich plötzlich ab, riss die Hand weg und bedeckte sein Gesicht, um laut los zu heulen. Jetzt konnte ich doch nicht mehr an mich halten, ich warf die Tür auf und stürmte in die Kabine nebenan, wo Steve sich immer mehr zusammen kauerte, zitternd und weinend. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn fest an mich, ich wollte ich wärmen, schützen, trösten, einfach für ihn da sein. Und es tat so weh zu denken, dass er das eigentlich gar nicht wollte.
Er wimmerte denn auch: „Nein... nicht... nein...“, worauf ich etwas locker ließ, aber versicherte: „Bitte Steve, ich will nichts von dir, ich werde dir nichts tun! Es tut mir so leid, dass ich nicht da war, es tut mir leid, dass du das alles durch machen musstest, bitte lass es mich wieder gut machen! Bitte Steve, ich hab versprochen ich pass auf dich auf, ich hab es dir versprochen, ich hab es mir versprochen, ich hab es deiner Mutter versprochen, und ich hab versagt!“, ich weinte, „Aber bitte lass mich dir helfen! Du hast deine Würde noch, du bist nicht schmutzig, du konntest nichts dafür! Du musst nicht weiter da bleiben, du bist kein Abschaum der nichts Besseres verdient hat, das ist nicht wahr!“ Er murmelte heiser: „Du verstehst es nicht, du verstehst es einfach nicht...“, und rutschte etwas von der Bank.
Also sank ich mit ihm auf den Boden, doch ich zog ihn eng an mich, um ihn vor der Kälte zu schützen. Er zitterte so sehr. Mein armer kleiner Stevie. „Bitte Steve, ich will doch nur für dich da sein, ich will doch bloß, dass du glücklich bist und frei und sicher, du würdest doch das Selbe für mich tun!“, beteuerte ich verzweifelt, „Ich will dich nur beschützen, das heißt doch nicht, dass du schwach bist, und selbst wenn, du hast doch auch immer Schwächeren geholfen, jeder ist mal schwach, das ist keine Schande! Du musst mir nichts beweisen, Stevie, ich weiß du willst es allein schaffen, aber bitte, nimm das an! Bitte Steve, ich will dich nur beschützen. Ich liebe dich!“
Da. In meinem Eifer hatte ich es ausgesprochen. Ich hielt ihn fest und versuchte schnell weiter zu reden, damit es nicht auf fiel. Außerdem, wir waren doch beste Freunde, da sagt man sowas schon mal, oder? Nur mir fiel nichts mehr ein. Er reagierte aber nicht. Und da merkte ich, dass er vor Erschöpfung eingeschlafen sein musste. Das passierte ihm schon damals manchmal, wenn er krank war und wenig aß. Und es war ja auch sehr spät. Früher, wenn ihm das bei mir passiert ist, hab ich ihn manchmal einfach bis zu sich ins Bett getragen und zu gedeckt. Wenn es sehr kalt war, hab ich ihn bloß in mein Bett gebracht, um ihn zu wärmen, und morgens einfach gesagt, ich wäre zu müde gewesen, um ihn rüber zu bringen. Und jetzt? Bis ins Veteranenwohnheim tragen konnte ich ihn so nicht, er wäre bestimmt aufgewacht, vielleicht hätten sie mich auch gar nicht erst mit ihm rein gelassen. Und zurück ins Bordell bringen wollte ich ihn auf keinen Fall.
Also hab ich mich vorsichtig etwas bequemer hin gesetzt, und Steve ebenfalls so ausgerichtet, dass er möglichst entspannt an meine Brust gelehnt lag. Dann schloss ich die Tür vom Beichtstuhl gegen Zug, und riss entschlossen die schweren Vorhänge runter, die die Kabine verkleideten, wobei ich schnell ein Kreuz zur Entschuldigung schlug. Damit deckte ich uns beide dann zu, sodass es fast schon gemütlich war. Ich schlang die Arme um Steve, der wie immer ein wenig schwer und ein wenig zu schnell atmete, und flüsterte nochmal: „Ich will dich nur beschützen. Ich lass nicht zu, dass dir nochmal jemand weh tut! Das versprech ich dir. Ich bin für dich da, Stevie!“ Bald darauf fiel ich ebenfalls in einen traumlosen Schlaf.
🌟