In seinen gewöhnlichen Klamotten machte er nicht allzu viel her, aber das war ja auch nicht Sinn und Zweck des Ganzen.
Bei seinem Eintreten schauten nur ein paar der sichtlich angetrunkenen Seeleute auf. Es waren Menschen aller Nationen und Rassen vertreten. Iranueel konnte Europäer, Asiaten, Latinos, Afrikaner und sogar einen alten Seebär sehen, der wohl ein Inuit sein musste.
„Der da! Der Eskimo, er ist ein alter Bekannter von mir. Sag ihm, dass Belle dich für eine Besorgung schickt. Dann hast du zumindest schon mal einen Fuß in der Tür bei ihm.“
Iranueel tat wie ihm geheißen, und ging durch den johlenden und saufenden Haufen von Männern durch und bemitleidete dabei die armen Bedienungen, allesamt Frauen, die nicht selten von den Rauen Burschen begrapscht zu wurden.
Der Eskimo hatte wahrscheinlich die 50 schon hinter sich gebracht. Tiefe Furchen durchzogen sein Gesicht und seine speckige Jacke hatte auch bessere Tage gesehen. Die Haut hatte den tiefen Braunton von jemandem, der sein Leben in der freien Natur verbracht hat und obwohl er wohl angeheitert war, hatten seine Augen den jungen Mann nahezu augenblicklich beobachtet, als er den Raum betreten hatte.
Augen, in denen es von Intelligenz und Witz nur so funkelte.
„Entschuldigen Sie die Störung, aber Belle schickt mich, um bei ihnen etwas zu besorgen!“
Überraschung und Argwohn zeigten sich nur einen kurzen Augenblick auf dem Gesicht des Seemanns.
„Ich dachte mir schon, dass Belle irgendwann mal ein seltenes Tier transportieren wollen würde. Das fehlte definitiv noch auf ihrer Liste!“
Misako schnaubte verärgert.
„Ich würde niemals Tiere schmuggeln. Zumindest keine lebenden. Er testet dich. Lass dich nicht einschüchtern. Und achte auf seine linke Hand! Er hat immer ein Messer in seinem Ärmel versteckt.“
Iranueel setzte sich gemütlich an den Tisch und winkte mit einem Lächeln auf den Lippen einer jungen Chinesin um etwas zu bestellen.
Sie würde wohl noch etwas brauchen, um zu ihm durchzudringen, also wandte er sich wieder dem alten Mann zu und seine Mine wurde ernst und geschäftsmäßig.
„Wir wissen beide, dass sie niemals lebende Tiere transportiert hat! Ich suche keinen Ärger, sondern Hilfe und unsere Bekannte meinte, dass ich sie hier bekommen kann. Aber wenn sie auf Stress aus sind, können sie ihn gern haben. Seien sie mein Gast!“
Damit lehnte sich Iranueel zurück und breitete die Hände aus. Er bereitete jedoch sicherheitshalber schon mal einen starken Luftzauber vor, um seinen potentiellen Gegner von sich weg zu schleudern.
„Ich denke, das wird nicht nötig sein. Wenn meine alte Freundin dich zu mir schickt, hatte sie wohl einen guten Grund und muss dir vertrauen. Und sie muss in ernsthaften Schwierigkeiten stecken!“
Iranueel dachte nun seine Worte nur ohne sie laut auszusprechen.
„Wie viel weiß er über dich?“
„Er weiß, was ich bin und wozu ich fähig bin! Einer der wenigen Sterblichen, deren Gedächtnis keine Lücke aufweist, wenn es um uns geht!“
Mit einem Lächeln nickte der junge Avatar.
„Ja, sie steckt wirklich in der Patsche und hat mich gesandt, um ihr einen Weg frei zu machen, da ich bisher niemandem aufgefallen bin. Ich brauche eine Überfahrt in irgendein anderes Land. Mir egal wohin, aber raus aus China!“
„Oha, nun wenn das so ist, scheint der Kacke ja wirklich am dampfen zu sein. Und du wirst für Belle den Weg dort frei machen, nehme ich an? Wo ist sie im Übrigen?“
Iranueel dachte kurz nach wie viel er ihm sagen sollte.
„Ich habe eine Möglichkeit Leute mit mir zu transportieren, ohne dass sie zu sehen sind. Wenn sie prüfen wollen, ob ich sie wirklich dabei habe, fragen sie mich einfach etwas, das nur sie beide wissen!“
Der alte Seemann musterte ihn kurz und zeigte dann ein hämisches und etwas anzügliches Grinsen.
„Frag sie, wann und wo ich sie das letzte Mal flachgelegt hab!“
Verblüfft blickte Iranueel ihn an und wartete auf Misakos Antwort.
Diese war knallrot geworden. Zum einen wohl vor Scham, zum anderen aber wohl aus Wut.
„Das wird er mir büssen! In Peking, rote Flamme, 1990! Und sag ihm, dass es damals noch zumindest etwas besser aussah als dieses versoffene, abgestandene Stinktier vor dir!“
Unsicher, ob er das wirklich weiter geben sollte, aber dann doch nur ein Schulterzucken später, sagte er.
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„Peking, rote Flamme anno 1990. Ich soll ausrichten, dass sie damals mehr hermachten als jetzt!“
„Sag es ihm!“
„Huh, außerdem ist sie von dem versoffenen, abgestandenen Stinktier vor mir nicht sonderlich beeindruckt!“
Ein Lachen rutschte seinem Gegenüber heraus und dann schlug er mit der Hand auf den Tisch.
„Haha, du hast sie wirklich dabei! Schön, dass sie zumindest mal genug Vertrauen in jemand entwickelt hat, der ihr aus der Patsche hilft! Gut, halten wir uns nicht zulange auf. Wir laufen aus, sobald die Flut da ist, also…“
Er blickte kurz auf seine Uhr! Dabei fiel Iranueel auf, dass diese deutlich wertvoller war als es ein Fischer sich leisten könnte.
„… in 2 Stunden! Genug Zeit, um ein paar zusätzliche Vorräte einzulagern, es sei denn, du willst dir dein Essen an Bord selbst fangen, Junge!“
Dann lachte er laut und kippte sich den Rest seines Biers in einem tiefen Zug runter.
Er winkte die Bedienung weg, die gerade erst ihren Weg zu ihnen gefunden hatte und stand dann leicht wankend auf.
„Komm entweder gleich mit oder sei in spätestens 2 Stunden an Pier 209. Der größte und hässlichste Kahn dort gehört mir!“
Ohne sich noch weiter umzusehen, marschierte er los, wobei er den einen und anderen Besoffenen anrempelte.
Iranueel fiel dabei auf, dass er sich zwar immer sofort entschuldigte, seine Finger dabei erstaunlich viel Kontakt mit den Männern hatten.
„Hm, er ist immer noch der alte Kleptomane wie früher. Und anscheinend sind seine Finger nicht langsamer geworden. Er finanziert seine Saufgelage also wie früher durch andere!“
Kopfschüttelnd folgte Iranueel dem alten Dieb aus der Spelunke an die nicht ganz so frische Luft.
„Bei den Göttern, bin ich froh, wenn ich wieder aus diesem stinkenden Müllhaufen von einem Land raus bin!“
Er wandte sich zu seinem jungen Begleiter um, und winkte ihn neben sich.
Iranueel kam an seine Seite, achtete jedoch darauf, dass seine Geldbörse unter seinem rechten Arm eingeklemmt war.
„Es geht nach Japan! Hab vor ein paar Stunden noch etwas Fracht bekommen, aber wollt noch kurz einen heben. Jetzt kann’s losgehen. Wir legen in Utoyama an, ein kleines Dreckskaff von einem Fischerdorf. Von dort aus kannst du leicht weiter kommen. Keine Sorge, ich berechne dir nichts dafür! Belle ist mir dafür was schuldig!“
Ein schmutziges Grinsen und ein leicht verträumter Blick zeigten sich kurz, worauf von Misakos ein Aufstöhnen zu hören war.
Ohne sich weiter darum zu kümmern ging Iranueel weiter und folgte dem Seemann zu seinem Schiff, vorbei an großen Containerschiffen zu immer kleiner werdenden Kähnen.
Die Docks wurden auch immer ungepflegter, die Lagehäuser zunehmend älter und wirkten, als würden sie bald in sich zusammenfallen.
Als sie am Pier 209 ankamen, hatte Iranueel zumindest noch den Namen seines Kapitäns erfahren: Kim Peters. Er stammte aus Alaska und trieb sich nun schon seit knapp 40 Jahren auf den Meeren rum. Dabei hatte er so jeden Ozean befahren in allen möglichen Schiffen.
Doch schließlich hatte er sich seinen eigenen Kahn zugelegt, aber es war nicht immer einfach und deswegen hatte er begonnen, auch nicht ganz legale Waren zu transportieren.
Iranueel begann sich zu fragen, ob das wohl seine Zukunft sein würde. Immer am Rand der Gesellschaft, stets auf dem Sprung und niemals an einem Platz.
„Es ist nicht so schlimm, wie du denken magst! Viele von uns bauen sich ein kleines Unternehmen auf und führen es eine Weile, bevor sie es von jemand anders an ihrer Statt weiterführen lassen. War nur niemals mein Ding mit Gesetzestreue. Auf Dauer doch recht langweilig!“
„Nix für Ungut, aber das hat dir nicht unbedingt zum Guten gereicht!“
„Herzlichen Dank, dass du mich daran erinnert hast!“
Nur, um seine Fähigkeit mal wieder zu testen, setzte Iranueel Geistesgegenwart ein und bekam im nächsten Moment 5 Auren direkt vor ihnen auf Kims Schiff mit.
„Kim, wie viele Leute sind normalerweise bei dir an Bord?“
Mit Vorsicht in den Augen sah sich Kim zu ihm um.
„Niemand, wieso? Haben wir Ratten an Bord?“
Iranueel nickte.
„Ja, ganz große und 5 Stück davon!“