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Der Haken einer Dame ist nicht zu verachten

Der Haken einer Dame ist nicht zu verachten

Als Iranueel wieder die Augen öffnete, war der Geruch von Asche, Öl und verdorbenem Fisch verschwunden. Außerdem konnte er das sanfte Tuckern eines Dieselmotors hören.

Er befand sich in einer Koje mit weichen Kissen und Decken und war von oben bis unten mit Binden und Pflastern übersät.

Seine Schmerzen hatten ein erträgliches Niveau erreicht, wobei der Großteil von seinen Schulterblättern auszugehen schien.

„Oh, schön, dass du wieder wach bist! Ich hatte schon befürchtet, die schweren Wunden würden dich doch noch über den Jordan schicken.“

Misakos melodische Stimme hatte einen sehr besorgten Unterton.

„Was ist passiert? Anscheinend haben wir gewonnen, aber wie komme ich hierher?“

„Nachdem du weggetreten warst, als du dem Sharkie das Genick mit deinem Bodyslamm gebrochen hast, kam Kim wieder aus dem Wasser raus und hat dich so schnell er konnte an Bord geschafft und ist raus aufs Meer.“

Sie legte den Kopf zur Seite.

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass dein Stunt mit dem Benzinfass niemandem auffallen würde? Du musst in Zukunft mehr Vorsicht wallten lassen, auch wenn ich zugeben muss, dass du da echt ne coole Aktion rausgeklopft hast. Kim hat die ganze Zeit gemurmelt, dass du völlig verrückt sein musst, und er dich früher gern in seinem Team gehabt hätte.“

Dabei kicherte sie kurz und wirkte für einen Moment wie ein junges Mädchen.

„Ich hab noch niemanden gesehen, der ihn in so kurzer Zeit so dermaßen beeindruckt hat!

Naja, kaum dass das Schiff auf Kurs war, wurde er sofort zum Sanitäter und hat deinen blutenden und wie ich hinzufügen möchte, sterbenden Körper zweckmäßig zusammengeflickt, in der Hoffnung, die natürlichen Regenerationskräfte von uns Avataren würden den Rest erledigen.“

Sie legte die Hände in die Hüften und beugte sich etwas vor.

„Im Ernst, wie viel Punkte hast du in Ausdauer gepumpt, um das zu überleben? Jeder normale Avatar frisch aus der Schmiede wäre Sushi zu diesem Zeitpunkt gewesen. Und dann heilst du auch noch schnell genug, um den Debuff zu überstehen und aus der roten Zone ohne einen Heiler zu kommen. Du steckst voller Überraschungen!“

Das Kompliment traf Iranueel völlig unvorbereitet und er wurde etwas rot und blickte zu Boden. Nicht dass es etwas an seinem Sichtfeld und damit Misako geändert hätte, schließlich war sie in seinem Kopf.

„Naja, ich habe 10 Punkte in Ausdauer gesteckt, um meine Überlebenschancen zu maximieren. Und weitere 8 in Geschicklichkeit, dazu etwas in Glück, um meine Chancen auf besseren Loot zu erhöhen!“

Misako schüttelte den Kopf ungläubig.

„Dir ist schon klar, dass du ein echter Cheat bist? Aber das mit dem Glück für Loot kannst du vergessen. Es wirkt mehr in Hinsicht auf Überleben von kniffligen Situationen. Hast du vielleicht noch etwas vergessen? Ich mein, ich hab die Gelegenheit gehabt, dich in Aktion zu erleben und dein Manapool ist zu groß, als dass du nur Standard wärest, es sei denn, du bist ein Weisheitsmonster, was ich nicht annehme, ansonsten hättest du ne andere Möglichkeit als die Druckwelle gewählt!“

„Nein, ich habe noch 10 Punkte in Intelligenz und halb soviel in Weisheit investiert! Ich wollte ein richtig guter Magier werden!“

Misakos Augen waren tellergroß geworden.

„Was zur Hölle ist mit den neuen Avataren los, wenn ihr solche Attributspunkte zur Verfügung habt. Das ist nicht fair, Ich hatte nur 20 zur Verfügung und hielt das schon für viel.

Ich will eine Rückerstattung, verdammt noch mal. Diese Ungerechtigkeit schreit zum Himmel!“

Sie hatte ganz offensichtlich einen ausgewachsenen Wutanfall und begann zu fluchen, allerdings in einer Sprache, die Iranueel für japanisch hielt.

Er hatte in seinem früheren Leben gern Mangas und Anime angeschaut und erkannte einzelne Worte wieder. Dabei fiel ihm auf, dass diese Sprache wirklich erstaunlich gut zum Fluchen taugte. Nicht ganz so gut wie Russisch oder Deutsch, aber sie rangierte in den Top 5.

Nichtsdestotrotz wählte er einen neutralen Gesichtsausdruck. Er wollte um keinen Preis eine wütende Misako unentwegt in seinem Gesichtsfeld haben. Nun, da er darüber nachdachte, konnte er versuchen, seine Fähigkeit besser zu verstehen und vor allem zu beherrschen.

Anfangen wollte er damit, Misako aus seinen Gedanken zu verbannen.

Iranueel konnte sie in seinem Hinterkopf spüren wie eine Mücke, die ihn in den Nacken gestochen hatte. Nicht ganz so unangenehm, aber die Stelle konnte er präzise bestimmen.

Er setzte sich nun auf den Boden, nicht ohne dabei seine schmerzenden Schulterblätter deutlich zu spüren und kurz aufzustöhnen, und begab sich in den Lotussitz. Dann begann er zu meditieren.

Misako bemerkte das und schwieg daraufhin.

Als er nun sich auf seinen Status konzentrierte, stellte er fest, dass fast alle seiner Magiefähigkeiten 2 oder 3 Prozent besser geworden waren, zusätzlich zu fast 14 Legeln, die er wohl für das Töten seiner Gegner bekommen hatte. Nur Schade, dass er ihre Körper nicht hatte, denn dann hätte er noch mehr aus ihnen rausholen können.

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In diesem Moment konnte er Schritte hören, die zur Kajüte kamen.

„Ahoi, Matrose!“

Kim hatte das Schott geöffnet und sah sehr zufrieden aus.

„Schön, dich wieder auf den Beinen zu sehen. Hast ziemlich gute Arbeit geleistet, auch wenn wir noch etwas an der Koordination arbeiten müssen, wenn wir ein Team bleiben sollten. Hast mich fast mitfrittiert, als du aus den Biestern Haifischflossensuppe gemacht hast. Hat mich ne Schrotflinte gekostet und einige Haare, aber zum Teufel damit. Die hast du richtig aufgemischt. Nicht ganz ohne meine Hilfe, aber für einen Anfänger bist du echt ein mörderischer Bastard!“

Als Iranueel ihn sich genauer ansah, konnte er die versengten Augenbrauen und diverse Stellen im Kopfhaar sehen, die verschmort aussahen.

„Gut, dass du da bist, ich wollte Misako grade rauslassen, wenn wir nicht in unmittelbarer Gefahr sein sollten?“

Dabei blickte er Kim mit hochgezogener Augenbraue an.

Der schüttelte nur den Kopf und lehnte sich gegen die Kajütenwand, wobei er in seine Jacke griff und sich eine Zigarre aus der Innentasche holte. Er fischte kurz nach einem Zippo in seiner Hose und steckte sich das gute Stück an.

„Alles klar da draußen. Weit und breit keine Verfolger zu sehen, und das Wetter ist perfekt!

Auf dem Nebel könnte man glatt laufen.“

Verwirrt runzelte Iranueel die Stirn.

„Inwiefern ist das denn perfektes Wetter? Da sieht man ja nichts, wenn Ärger auf einen zukommt.“

Der alte Seemann nickte nur.

„Aye, aber potentielle menschliche Verfolger haben auch Problem, uns zu bemerken. Wir sind nicht gerade unauffällig aus dem Hafen verschwunden. Ich hatte eigentlich vermutet, dass uns in Windeseile ein chinesisches Polizeischiff auf den Fersen sein würde. Aber offenbar wirkt diese Avatar-Vodoo auch bei so nem Feuerwerk, wie du es abgezogen hast.“

„Ich hoffe es, denn ich glaub nicht, dass wir eine Chance haben, den Behörden zu entkommen, wo ich keinerlei Papiere hab. Es gab da einige sehr unangenehme Gerüchte, was China mit uneingeladenen Gästen macht!“

Kim nickte beipflichtend und paffte genüsslich an seiner Zigarre.

„So ist es auch. War einmal in einem ihrer Lager und hab nicht vor, diese Erfahrung zu wiederholen. Frag nicht weiter nach, ich sag darüber nicht mehr. Vielleicht, wenn wir uns ein bisschen besser kennen, aber um ehrlich zu sein, wär ich ganz froh, wenn sich unsere Wege in Japan wieder trennen. Versteh mich nicht falsch, ich mag es, wenn Dinge in die Luft fliegen, aber du scheinst ein Talent für Ärger zu haben, und ich bin mir nicht sicher, ob ich noch genug Dampf in diesen alten Knochen hab, um damit mitzuhalten.“

Dabei wirkte er fast traurig. Es war für einen Haudegen wie ihn wohl nicht einfach, älter zu werden und die Aktion anderen überlassen zu müssen.

Er blickte kurz ins Leere und schien sich dann zu sammeln.

„In Ordnung! Ich kenn in Japan den einen oder anderen Typen, der euch helfen kann, dort zurechtzukommen. Allerdings würde es nicht schaden, wenn ihr beide für ne Weile die Rübe unten behalten könntet, sollte es euch irgendwie möglich sein. Sobald wir dort drüben sind, was so in 2 Tagen der Fall sein dürfte, wenn der Motor uns nicht im Stich lässt, hab ich meinen Job auch erledigt und ihr könnt weiterziehen.“

Iranueel nickte und besann sich darauf, was er eigentlich machen wollte, bevor das Gespräch aufkam. Er konzentrierte sich auf Misako und dann auf einen Punkt vor ihm, wobei er sich ihre Präsenz in Erinnerung rief. Dann ließ er auf dieselbe Weise, wie er zuvor seinen Körper gestärkt hatte, Energie aus sich an diesen Punkt fließen, zusammen mit Misakos Präsenz.

Ein helles Licht tauchte dort auf und es begann sich der Körper einer ausgesprochen gutaussehenden und vor allem nackten jungen Japanerin vor ihm aus dem Strahlen zu formen.

Einen Augenblick später erlosch das Licht und Misako blickte sich verwirrt um.

Dann fiel ihr Blick nach unten und dann zu Kim, der sie mit einem schmutzigen Grinsen und Wohlwollen in den Augen anlächelte.

Mit einem Satz war sie bei ihm und schickte ihn mit unfassbarer Geschwindigkeit mit einem rechten Uppercut ins Land der Träume. Sie wandte sich um und mit schon fast einem Schnurren in der Brust, das Iranueels Nackenhaare aufstellte, fragte sie:

„Was genau hast du dir dabei gedacht, mich direkt vor diesem alten Lüstling wiederzubeleben?“