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Der betrunkene Drache

Irritiert richtete er sich wieder auf. Sein Gesicht fühlte sich an, als hätte er ein stumpfes Babiermesser zum Rasieren benutzt.

Ein schneller Blick nach rechts und links zeigte ihm niemanden.

Doch plötzlich tauchte in seinem Sichtfeld rechts oben eine Art Hologramm von Misako auf.

„Ich hab keine Ahnung, wie du das angestellt hast, dass ich nun ein deinem Kopf herumspuke.

Aber ich muss gestehen, dass es die Alternative um Welten schlägt! Trotzdem solltest du dich möglichst schnell von hier wegbegeben. Ich schlage vor, du suchst eine Hauptstrasse mit ner Menge Menschen und tauchst darin unter.

Außerdem solltest du deine Kleidung wechseln. Es gibt nicht allzu viele Europäer hier und deshalb dürftest du leicht wiederzuerkennen sein, wenn du nicht dein Äußeres veränderst!“

Völlig ungläubig glotzte Iranueel das Hologramm an und versuchte, mit seinen Händen an die Stelle zu greifen, wo sich Misako zu befinden schien.

„Lass den Blödsinn! Ich bin nur in deinem Kopf, nirgends sonst. Das dürfte meine Verfolgung mittels Magie auch völlig unmöglich machen. Danke noch dafür!“

Ihr Grinsen wirkte ansteckend und Iranueel musste unwillkürlich auch lächeln.

Dann jedoch legte er die Stirn in Falten.

„Ich hab keinen blassen Schimmer, wo zum Teufel ich hier eigentlich bin. Wenn du von hier stammst, wirst du wohl mein Navi sein müssen!“

„Kein Problem, auch wenn ich mit dieser Stadt nicht so vertraut bin wie ich es gern wäre.

Schon vergessen? Auf der Flucht und so?“

Iranueel zuckte nur kurz mit der Schulter und lief die Strasse entlang. Ihm fiel auf, dass die Schmerzen im Gesicht recht fix nachließen. Ein kurzer Griff zu einer der zuvor verletzten Stellen zeigte, dass sich bereits ein Teil der Wunde geschlossen hatte.

„Deine Verletzungen als Avatar schließen sich recht schnell wieder solange es sich nicht um eine schwere Verwundung handelt. Das muss behandelt werden. Vorzugsweise von einem Magier. Die Art und Weise wie du mich vorhin behandelt hast, war nicht gerade nett aber effizient. Ich habe zumindest kein Blut mehr verloren.

Wenn ich etwas mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätte, wäre die Wunde im Laufe des Tages verschwunden!“

Sie schien einen Augenblick nachzudenken und sich etwas in Erinnerung zu rufen.

„Hier musst du jetzt nach links, dann der Strasse nach bis zum Ende und dann rechts.

Du müsstest dann auf eine dichter befahrene Strasse kommen. Wenn du Geld hast, solltest du dir ein Taxi rufen und dich zum Flughafen begeben!“

„Ich hab 100 Dollar! Keine Ahnung, ob mir das hier etwas nutzt. Und selbst wenn werden die wohl kaum für einen Flug reichen!“

Besorgt legte Misako ihre Stirn in Falten.

„Nun, das ist in der Tat ein Problem. Dann sollte es wohl eher zum Hafen gehen. Du magst nur ein ungelernter Arbeiter sein, aber es gibt genügend Frachter, die für einen kleinen Obolus und Arbeit die Kost und Logis für eine Überfahrt übernehmen.

Du scheust dich doch nicht vor ein bisschen Arbeit, oder?“

Iranueel verzog das Gesicht etwas. Ihm stand eigentlich nicht so ganz der Sinn nach harter körperlicher Arbeit, aber die Vorstellung, eine Überfahrt übers Meer zu machen klang an und für sich gar nicht so schlecht.

„Ich hab immer schon arbeiten müssen in meinem Leben! Hatte zwar gehofft, als Avatar könnte man es etwas ruhiger angehen, aber offenbar ist mir dies nicht vergönnt.“

Misako rümpfte die Nase und lachte etwas.

„Hahaha, dafür dass du es ruhig angehen lassen wolltest, hast du dir aber einen sehr interessanten Einstieg in das Leben eines Avatars ausgesucht!

Oh, da fällt mir ein, du solltest nicht zuviel Energie in die Verstärkung deines Körpers investieren!“

Verwirrt sah Iranueel sie an.

„Ich verstehe nicht. Sollte ich nicht meinen Avatar stärker machen?“

„Oh doch, deinen Avatar solltest du stärken, aber es gibt einen Unterschied zwischen Avatar und Körper.

Du musst kapieren, dass dein Körper nur die Manifestation deines Avatars ist. Es ist wesentlich günstiger, den Körper zu stärken als deine Seele, aber stirbt dein Körper sind all die Verbesserungen futsch!“

Entsetzt und verärgert dachte Iranueel an die Göttin, die ihm seine Einführung gegeben hatte.

„Warum wurde mir das nicht am Anfang gesagt? Ich meine, so was klingt doch nach wichtigen Infos, die man einfach haben muss!“

Misako nickte nur.

„Ich stimme dir da voll und ganz zu! Hat mich 3 Jahre Arbeit gekostet, als ich zum ersten Mal gestorben bin. Scheint eine echte Lücke, gewünscht oder nicht, im Einführungsgespräch zu sein. Aber soweit ich weiß, hat bisher jeder diese Lektion auf die harte Tour lernen müssen.

Was mich zum nächsten Punkt auf der Liste kommen lässt.

WIE ZUR HÖLLE HAST DU MICH IN DICH AUFGENOMMEN?“

Den letzten Satz brüllte sie ihm fast entgegen.

„Ähm, das ist eine besondere Fähigkeit von mir. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du darüber die Klappe halten würdest, wenn ich dich wiederbelebe!“

Überrascht zuckte Misako zurück.

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„Moment mal, du kannst mich auch wiederbeleben? Mein Lieber, ich werde dir die Füße küssen und einen Blutschwur ablegen, wenn du das machst!“

„Ich denke, das mit den Füssen lassen wir lieber. Das würde seltsam aussehen. Aber freu dich nicht zu früh. Ich werde einiges an Macht erwerben müssen, um dich wiederzubeleben.

Mindestens 10 Level werden dafür erforderlich sein und ich brauch selbst ein noch ein kleines Sicherheitspolster, für den Fall meines unzeitlichen Ablebens.“

Verständnisvoll nickte Misako, trotz allem jedoch überaus glücklich wirkend.

Iranueel bog jetzt gerade in die Hauptstrasse ein. Die Gebäude hier machten nicht allzu viel her. Sie wirkten allesamt heruntergekommen und die Fassaden bröckelten an allen Ecken.

Stromkabel und Satellitenschüsseln waren überall zu sehen.

Auf der Strasse waren hauptsächlich Fahrzeuge chinesischer Firmen zu sehen. Nur ab und zu tauchte ein alter Mercedes oder ein anderes europäisches Fabrikat auf.

Iranueel ging an den Rand des Gehwegs und hielt die Hand hoch, in der Hoffnung ein Taxi auch sich aufmerksam zu machen. Es dauerte auch nicht lange, da kam auch schon ein alter Mercedes im klassischen Gelb der Taxis angefahren und hielt direkt bei ihm an.

„Wohin sie wollen?“fragte der junge Chinese in gebrochenem Englisch.

„Zum Hafen!“

Iranueel stieg nach dem Nicken des Fahrers auf die Hinterbank, die auch schon bessere tage gesehen hatte.

Kaum saß er und hatte die Tür geschlossen, trat der Fahrer ohne wirklich nach hinten geblickt zu haben, aufs Pedal. Wütendes Gehupe und Geblinke folgte ihm auf dem Fuß.

Endlich ruhte sich Iranueel aus. Die letzten Minuten waren der reine Adrenalinrausch gewesen und er spürte eine geistige Erschöpfung wie schon seit langem nicht mehr.

Müde legte er den Kopf an die Fensterscheibe und blickte auf die Stadt hinaus.

Sie kamen auf einen Highway, von wo aus er die Skyline einer aufstrebenden Hafenstadt sehen konnte. Über allem konnte er jedoch einen dichten Dunst sehen. Der wohl allseits bekannte Smog der chinesischen Großstädte.

Er kam aus Deutschland und war es nicht gewohnt, dermaßen schlechte Luft zu atmen.

In seinem alten Leben hätte er sich wohl schon längst die Lunge aus der Brust gehustet,

aber seinem neuen Körper schien das nicht viele Probleme zu bereiten.

Zwar konnte Iranueel die schlechte Luft riechen, aber sie war einfach nur unangenehm.

Der Fahrer blickte immer wieder in den Rückspiegel und schien zu überlegen, ob er ein Gespräch mit dem Europäer beginnen sollte, oder nicht, doch Iranueel machte ein verschlossenes und auch etwas dunkles Gesicht.

Etwa 20 Minuten später kamen sie am Hafen an. Von weitem schon konnte Iranueel die salzige Luft und den Gestank von Diesel und Öl wahrnehmen.

Große Frachtschiffe lagen an den Piers an und wurden be- und entladen.

Das Taxi hielt am Eingang zur Hafenbehörde an, und der Fahrer wandte sich zu ihm um.

„Das machen 20 Dollar!“

Misako war entsetzt!

„Soll das ein Witz sein! Davon kann er seine Familie 1 Monat durchfüttern. Wenn ich noch einen Körper hätte würde ich ihm die Rübe runterreißen und in den Stumpf scheissen!“

Iranueel legte ein verärgertes Gesicht auf.

„Ich gebe dir 5 Dollar! Nimm es oder lass es!“

Eiskalt blickte er den jungen Mann an und versuchte, ihm etwas Furcht einzuflössen.

Was immer es war, der Chinese schien begriffen zu haben, dass es unter Umständen ungesund für ihn werden könnte, wenn es auf sein Geld bestand. Deshalb nickte er nur und streckte die Hand aus.

Iranueel gab ihm das Geld und stieg ohne weiteres Wort aus.

Er befand sich vor einem 3-stöckigen Gebäude, dessen Verputz offenbar noch ganz neu war.

Sein Chinesisch war zwar nicht wirklich gut, aber er konnte doch entziffern, dass es die Hafenmeisterei war.

„Wir sollten besser in die Kneipe zwei Strassen weiter gehen. Dort befinden sich Kapitäne, die gern mal ein Auge zudrücken und es mit den Papieren nicht so eng sehen.

Bei Gelegenheit solltest du dir auch noch welche besorgen, auch wenn die Menschen dazu neigen, uns schnell zu vergessen und wir dazu neigen, aus dem Raster der Gesellschaft zu fallen!“

Iranueel nickte nur und ging den Weg entlang, den Misako ihm wies.

Etwa 50 Meter weiter hielt er vor einer schmuddeligen Spelunke mit sackweise stinkendem Müll davor.

Der Geruch war nahezu überwältigend und der Lärm aus ihr klang, als wäre der Großteil der Leute darin nicht mehr nüchtern.

Nun, nichts anderes hatte er erwartet. Beim Blick auf das Schild über dem Eingang starrte ihm ein goldener Drache entgegen, dem etwas Sabber aus dem Maul lief.

Zum betrunkenen Drachen stand darunter.

„Schätze, es wird Zeit, sich den Gegebenheiten anzupassen!“

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ich habe mir den Kommentar zu Herzen genommen, mehr Absätze einzuarbeiten. Ich hoffe, es ist nun leichter zu lesen.