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Nachbarschaftswache

Die dritte Geschichte ist mir passiert, als meine Familie in den USA lebte. Als Ausländer die viel umher zogen, waren wir nicht vertraut mit den Gepflogenheiten der Amis, und da wir auch unsere Schwierigkeiten hatten, die Sprache zu lernen, haben wir uns nicht viel unter die Nachbarn gemischt, und nach einem Jahr hat die Nachbarschaft auch nicht mehr versucht, mit uns in Kontakt zu treten. Wir blieben für uns, und alle anderen schienen das auch zu tun. Bis eines Tages ein Brief eintraf.

Es war eine Warnung. Sie ging in etwa so: „Achtung. Ein registrierter Sexualstraftäter zieht in Ihrer Gemeinde ein. Bleiben Sie wachsam.' Nichts weiter. Nicht, wer sie geschrieben hat oder warum wir sie erhalten haben oder was wir mit dieser Information tun sollten. Alles was es bewirkte, war uns Angst ein zu flößen. Das einzige Haus, in dem jemand ein zog, war direkt gegenüber von uns. Aber unsicher, ob dies die Person war, auf die sich die Warnung bezog, wusste meine Familie nicht wie sie reagieren sollte. Also haben meine Eltern beschlossen, dass wir einfach für uns bleiben sollten wie bisher.

Schließlich waren dies die USA. Ein prüdes Land, in dem Kinder manchmal von der Schule verwiesen wurden, weil sie einen Freund auf die Wange geküsst hatten. Wir hatten Geschichten von Leuten gehört, die auf solchen Listen gelandet waren, ohne jemals etwas Böses getan zu haben. Wie einige Teenager, die beim Knutschen erwischt wurden, wenn eine Familie so streng war, dass sie wegen so etwas bereits vor Gericht zog. Und da der Brief nicht erklärte, um welches Vergehen es sich handelte, konnte nicht gesagt werden, ob es sich nur um einen Jugendlichen handelte der in eine schlimme Situation geraten war, oder um ein Monster das aktiv Kinder jagte um sie zu entführen.

Ich jedoch hatte große Angst. Das Konzept 'Missbrauch' war für mich immer noch abstrakt, aber es machte mir trotzdem Angst. Und ein Teenager war für mich schon eine einschüchternde Figur, also war es egal, ob der Brief über den Nachbarn oder seine Söhne sprach. Denn das war es ja, es war nicht irgendein einsamer, gruseliger alter Mann, der in das Haus einzog.

Es war eine Familie. Eine Mutter, ein Vater und zwei Jungs im Teenageralter. Und noch mehr Familienmitglieder kamen öfter zu Besuch, wie ein paar Großeltern, oder eine junge Frau mit einem Baby. Ich wusste das, weil mein Zimmer genau gegenüber von diesem Haus lag und mein Schreibtisch unter dem Fenster stand. Ich habe mich oft gefragt, wer die böse Person sein sollte. Denn alles was ich je beobachten konnte, waren Menschen, die mit einem Lächeln jene begrüßten, die ich für Familienmitglieder hielt, und sie umarmten, wenn sie wieder gingen. Und die Jungs haben in der Garage Musik gemacht, der eine spielte Schlagzeug, der andere Gitarre. Der Schlagzeuger übte öfter und wiederholte dann immer wieder die gleichen Beats. Aber ich fand es nicht einmal störend.

Dann eines Tages, war ich draußen und ging mit meinem Kater spazieren. Als wir neu eingezogen waren, hatten wir unseren Katzen die Freiheit gegeben, nach draußen zu gehen, weil kaum Verkehr, aber viel Natur um uns war. Bis unsere Main Coon Katze mit einem Hinken nach Hause kam, was sich als Schusswunde von einem Luftgewehr heraus stellte. Unser Vermieter nahm an, dass es ein Nachbarsjunge war, der dafür bekannt war, auf Eichhörnchen zu schießen. Also ließen wir unsere Katzen nicht mehr frei herum laufen, sondern gingen mit ihnen an der Leine durch unseren großen Garten und manchmal auch um das Haus herum zum Vorgarten. An diesem Tag wollte mein Kater mehr vom Vorgarten erkunden, also ging ich mit ihm dorthin.

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Die Nachbarn übten wiedermal in der Garage. Es klang nett, und so blieb ich stehen und blickte in ihre Richtung, um zu zu hören. Zwischendurch stoppte die Musik. Wie üblich. Ich wartete darauf, dass sie fort fuhren. Sie trommelten zwar wieder weiter, hörten aber kurz darauf wieder auf, und ich sah eine weiße Gestalt in einem der Garagenfenster. Ich achtete nicht darauf, da ich auch aufpassen musste, dass mein Kater seine Leine nicht in einen Busch verhedderte. Die Musik ging weiter, also drehte ich mich wieder nach vorne, um weiter zu zu hören. Aber dann hörte sie wieder auf und die weiße Gestalt tauchte wieder auf. Und dann wurde mir klar, dass es ein Gesicht war, das mich ansah. Dann wurde eine Hand gehoben und die Person winkte mir zu.

Ich bekam Angst. Ich winkte nicht zurück. Stattdessen drehte ich mich zu meinem Kater um und fing an, ihn zu mir zu ziehen und mit ihm zu reden, als hätten wir etwas Wichtiges zu tun, das ich fast vergessen hatte. Sobald ich ihn in meinen Armen hielt, drehte ich mich um und ging langsam zurück in den Garten. Ich atmete schneller und drückte ihn eng an mich, sodass er ebenfalls nervös wurde. Sobald ich an der Häuserecke ankam, wo der hintere Garten begann, rannte ich los. Ich stürmte auf unsere Veranda, schloss sie ab, ging durch unsere Hintertür ins Haus und schloss auch diese ab. Dann setzte ich mich mit dem Kater vor die Tür und versuchte, mich zu beruhigen. Ich spähte zu den Fenstern, falls sich jemand dem Garten näherte. Ich hatte solche Angst.

In meiner verängstigten Logik dachte ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte, mich den Nachbarn so alleine zu zeigen. Und zu ihnen rüber zu starren, als wollte ich sie kennen lernen. Worauf ich mich auch noch schuldig fühlte, weil ein kleiner Teil von mir das tat. Aber was, wenn einer der Jungen der Täter war? Was, wenn er sich jetzt für mich interessierte? Ich war damals erst 12, wurde aber oft für älter gehalten, manche Erwachsene schätzten sogar bis 16. Aber ich war noch ein Kind. Und ich war an diesem Tag allein zu Hause. Ich wollte nicht, dass sie merkten, dass ich Angst hatte, um kein leichtes Ziel zu sein, weshalb ich erst los lief, als ich außer Sichtweite war. Aber ich kam mir so dumm vor, überhaupt stehen geblieben zu sein und der Musik zu zu hören. Die wie ich fest stellte, wieder angefangen hatte. So konnte ich mich endlich entspannen, blieb aber trotzdem bei den Katzen in der Küche und ging nicht in mein Zimmer, weil ich nicht durchs Fenster gesehen werden wollte.

Als meine Eltern später nach Hause kamen, erzählte ich ihnen von dem Vorfall. Mein Vater lachte tatsächlich darüber und sagte, ich sei albern und ich hätte einfach hinüber gehen und Hallo sagen sollen, als sie winkten. Ich sagte, dass ich das schon wegen des Katers nicht hätte tun können. Er meinte, ich hätte ihn ja mitnehmen können, aber ich argumentierte: „Und wenn es böse geworden wäre, was dann? Wenn ich kämpfen oder weglaufen muss, wie soll ich den Kater beschützen?' Das war wirklich mein Gedanke, als ich mich wieder sicher durch die Anwesenheit meiner Familie fühlte. Ich war selbst in diesem Alter sehr groß und ziemlich stark für ein Mädchen. Aber nicht sehr selbstbewusst. Und ich schätze, ich musste meine Reaktion auch vor mir selbst verteidigen.

Denn ein Teil von mir hätte wirklich gerne die Leute kennen gelernt, die so schöne Musik machten, und ich hätte einen Freund brauchen können, da ich niemanden hatte und in der Schule gemobbt wurde. Aber stattdessen vermied ich es, mir im Vorgarten Zeit zu lassen, oder zu zeigen, dass ich ihnen wieder beim Üben zuhörte. Wir haben nie mit der Familie gesprochen und auch sonst nie etwas erfahren. Schon zwei Jahre später sind wir weggezogen. Wenn ich jetzt darauf zurück blicke, verstehe ich meine kindische Reaktion. Aber ich bedauere auch die Familie, die von uns und der Nachbarschaft gemieden wurde, ohne jemals ihre Seite der geschichte erzählen zu können.

Moral der Geschichte: Verschickt keine Warnungen, wenn ihr den Leuten nicht genau sagen wollt, vor wem und was ihr warnt, denn das verbreitet bloß Angst und Misstrauen!