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Ein belegtes Brot mit Ei

Leon starrt sein Gegenüber sprachlos an. Die Absurdität der Situation mal bei Seite, hat ihm so etwas noch nie einer gesagt. Dass jemand ihn lieb hatte, war zwar vor gekommen. Aber normalerweise war das an Bedingungen gekoppelt, wie: 'weil du ein braver Junge bist', 'weil du gut aussiehst', 'weil du weißt, wie man eine Frau behandelt', 'weil du stark bist'... und das war vor dem Vorfall in Racoon City gewesen. Bevor er alles und jeden verloren hatte, der ihm je etwas bedeutete. Danach war das freundlichste Kompliment, dass er bekommen konnte, 'nützlich' zu sein. Oder 'gehorsam'. Vielleicht noch 'robust'. Aber liebenswert? 'Was soll an mir liebenswert sein?', fragt sich Leon verwirrt.

Seine Gefühle fahren Achterbahn und das gefällt ihm nicht. Also bringt er sich wieder sein Training ins Gedächtnis: 'Umgebung beobachten, Gefahren analysieren, Gegner einschätzen, Strategie ausarbeiten.' Das Zimmer ist noch das Selbe, also weiß er, wie er hier raus kommt. Und jetzt wo er ihn bereits verletzt hat, weiß Leon auch, dass es mit Laytons Reaktionsvermögen nicht weit her ist. 'Wenn der Kerl also keine Wunderwaffe versteckt, kann ich ihm leicht entkommen.', schließt Leon, 'Aber ich sollte ihn vorher aushorchen. Auch wenn er verrückt ist, könnte er vielleicht Informationen haben.'

Leon weicht dem Blick des Professors aus und sieht an sich runter, um möglichst überzeugend zu lügen: „Oh. Das... das klingt schön. Meinst du das ehrlich? Heißt das, du wirst mir helfen?“ Dann sieht er ihn wieder an, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. Es ist ihm peinlich, aber er versucht sich an die Verführtechniken zu erinnern, die Ada einst bei ihm angewandt hatte. Irgendwie blöd, dass man das männlichen Agenten nicht bei brachte, sondern einfach annahm, dass sie sich den Weg frei schossen oder Gegner folterten, wenn sie Infos brauchten.

Zu seiner Erleichterung scheint Layton aber darauf an zu springen, da er selbst rot wird, um dann Leons Hände zu ergreifen, sie zu drücken und zu versichern: „Ja Liebling! Ich bin für dich da. Und ich werde dich unterstützen, wo ich kann.“ Leon weicht seinen strahlenden Augen aus, sieht stattdessen zur Tapete und murmelt schuldbewusst: „Tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Und um den Tee.“ „Ach, mach dir nichts draus! Ihr Kämpfer habt halt schnelle Reflexe, und oft denkt ihr nicht nach, bevor ihr euch wehrt. Das ist normal. Ich verzeihe dir!“, versichert ihm Layton und drückt erneut sanft seine Hände.

Leon ignoriert diese Erklärung, versucht weiter in seiner Rolle zu bleiben und bittet schlicht: „Okay. Ähm, kann ich mich mal eben frisch machen?“ Der Professor steht auf, deutet auf die Tür gegenüber dem Bett und meint freudig: „Klar! Das Bad ist gleich hier. Ich geh dann mal runter und mache dir Frühstück, ja? Möchtest du gern ein Ei?“ „Ja!“, gibt Leon etwas zu enthusiastisch zurück, relativiert dann bescheiden: „Also, ich würde schon eins mit essen. Eier sind gesund.“

Laytons strahlendes Grinsen macht ihn selbst aus dem Augenwinkel verlegen, also geht er möglichst beiläufig zum Bad. „Kein Problem, ich mach dir welche.“, bietet der Professor an, „Wie magst du deine Eier denn?“ Leon zuckt etwas zusammen. Ganz in der Rolle der Verführerin hätte er fast gesagt 'gestreichelt', aber dann gibt er schlicht zurück: „Einfach so.“, und verschwindet schnell ins Bad, um aus der Situation zu kommen. „Okay. Ich bin unten in der Küche, wenn du soweit bist.“, hört er noch durch die Tür, dann wie der Professor den Raum verlässt und die Tür zum Flur schließt.

Leon wartet noch eine Sekunde, dann holt er seinen Kommunikator raus und funkt aufgeregt: „Condor Eins an Adlerhorst. Condor Eins an Adlerhorst, bitte kommen!“ Er kriegt jedoch nur Schnee und Rauschen in die Leitung. „Adlerhorst, bitte kommen! Hunnigen, wo sind Sie?“, wiederholt Leon bang, doch es tut sich nichts. Er versucht die Frequenz zu ändern, findet aber keinerlei Signale. „Verdammt!“, flucht er leise. Er ist also völlig von seiner Einheit abgeschnitten, ohne einen Anhaltspunkt, wo er sein könnte.

Leon sieht sich im Spiegel an. „Hm. Sah schon mal besser aus!“, findet er, als er seine müden Augen bemerkt. Der Satz 'weil du liebenswert bist' echot durch seinen Kopf. Er scannt seinen Körper, schaut sich seine Muskeln in der knappen Kampfuniform an. „Vielleicht steht der Typ einfach auf Soldaten.“, mutmaßt Leon und schüttelt den Kopf, um weiteren Gedanken gleich zu vertreiben. Stattdessen sieht er sich im Bad um, öffnet einen weißen Schrank, der aber nur Handtücher und Klopapier enthält, und zerbricht eine dekorative Vase, findet aber nichts Wertvolles.

Also geht er runter, um zu frühstücken. Er springt wieder die letzten Stufen der Treppe runter, rollt sich ab und sieht sich dann noch in der Hocke um. Ertappt erstarrt er, als er bemerkt wie Layton ihn von einem kleinen Torbogen aus beobachtet, der wohl in die Küche führt. „Du bist wirklich sportlich. Macht es dir Spaß, dich zu bewegen?“, fragt der Professor interessiert. Leon versucht sich nicht anmerken zu lassen, wie peinlich ihm das ist und sagt nur: „So bleibe ich fit.“

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Dann geht er an Layton vorbei in die Küche. Die ist ziemlich geräumig, mit einer Kochinsel in der Mitte und Arbeitsflächen rund herum, bevölkert mit allerhand Küchengeräten. Neben der Kochinsel sind noch zwei robuste Tische im Raum. An einem hat Layton gedeckt. Leon bemerkt, dass von der Küche auch ein Durchgang zu einem Speisezimmer abgeht, mit einer großen Tafel. 'Wirklich ein großes Haus. Aber der Typ scheint allein zu wohnen. Kein Personal.', bemerkt Leon. Dann sieht er einige Kräutertöpfe an einem Fenster stehen, alle grün. 'Hm. Besser als nichts!', denkt er, und will schon welche einstecken, als der Professor ihn auffordert: "Setz dich doch, Schatz. Möchtest du jetzt vielleicht einen Tee?"

Leon stammelt überrumpelt: "Öh, eigentlich trinke ich eher Kaffee.", und reißt das erste Büschel Kräuter aus, um es in seine Tasche zu stecken. „Äh, Leon? Was machst du da?“, fragt der Professor irritiert. „Hm? Was meinst du?“, gibt Leon etwas nervös zurück, als er versucht das nächste Büschel aus zu rupfen. Er fühlt sich beobachtet. „Was willst du mit dem Rosmarin?“, fragt Layton und kommt näher. Leon denkt er muss sich beim Ernten beeilen, und fragt sich ob der Professor die Heilpflanzen für sich will. Schnell reißt er das dritte Büschel aus und packt es ein, ehe Layton neben ihm steht.

Der schaut verwundert auf die zerstörten Topfpflanzen, sieht dann Leon an und fragt: „Möchtest du etwas kochen?“ Leon fühlt sich etwas unwohl, gibt aber ebenfalls verwirrt zurück: „Na, ja, Kaffee! Hast du keinen da?“ Der Professor reibt sich den Nacken und meint: „Kaffee nimmt Energie weg und macht aggressiv. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist...“ Er sieht zu Leon auf, lächelt dann aber und lenkt ein: „Aber okay, wenn du welchen möchtest, dann mache ich dir einen. Ich wollte nur wissen, warum du die Kräuter ausreißt.“ Leon schluckt und versucht das Thema zu beenden, indem er sich an den Tisch setzt und bloß murmelt: „Die sind gesund.“

Layton zuckt darauf nur die Achseln und meint: „Okay. Du kannst dir ja welche aufs Brot tun, wenn du magst. Eier sind im Korb unter dem Tuch.“, um sich dann einem Gerät auf der Arbeitsfläche zu zu wenden. Leon beobachtet neugierig, wie der Professor einen Kaffeebecher aus einem der Schränke holt, unter die Düse des Gerätes stellt und einen Knopf drückt. Das Gerät beginnt zu zischen und Leon greift im Reflex zu seiner Pistole, ehe er sich wieder entspannt und dem Korb zu wendet. Kurz zögert er, das Tuch von der fußballgroßen Wölbung zu ziehen, aus Angst ein Kopf könnte darunter liegen. Aber die Küche wirkt so harmlos, dass er sich dann traut. Und kurz erstaunt inne hält.

Der ganze Korb ist voller Hühnereier. Braune und weiße, sicher je ein Dutzend. „Wow.“, haucht Leon kurz ehrfürchtig. Dann erinnert er sich: 'Die braunen geben mehr Energie.', und beginnt mit beiden Händen nach den braunen Eiern zu greifen, um sie sich links und rechts in die Taschen zu stecken. Zwischendurch steckt er sich auch immer wieder einzelne weiße in den Mund und schluckt. Er ist ein paar Sekunden wie im Rausch, dann hält er erneut ertappt inne, als er merkt, dass Layton ihn mit offenem Mund anstarrt, einen dampfenden Becher in der Hand.

„Du isst die mit Schale?“, fragt der Professor völlig entgeistert. Er stellt den Becher Kaffee neben Leon, der peinlich berührt die Hand zurück zieht, um zu antworten: „Wie denn sonst? Die laufen doch aus.“ Layton gluckst und hält sich eine Hand vor den Mund, als müsse er sich beherrschen, Leon nicht aus zu lachen. Dann setzt er sich aber geduldig an Leons Seite, und nimmt ebenfalls ein weißes Ei, um es sich auf seinen Teller zu legen. Er klärt ihn auf: „Gekochte Eier laufen nicht aus, oder allenfalls die ganz weich gekochten ein bisschen. Ich zeig es dir!“

Er nimmt sich ein Streichmesser, und haut das Ei mittig durch, womit er Leon erschrickt. Dann öffnet er das Ei und legt die beiden Hälften in zwei Eierbecher. Leon beobachtet fasziniert, dass ein Teil des Inneren ebenfalls weiß und fest ist, die Mitte aber goldig gelb und etwas cremig. Layton nimmt Salz- und Pfefferstreuer zur Hand, würzt die beiden Hälften und schiebt dann Leon einen Eierbecher hin. Er legt ihm auch einen kleinen Löffel bereit und erklärt: „Und jetzt nimmst du den Löffel, und löffelst das Ei aus. So, siehst du?“, und macht es vor. Leon ahmt ihn nach, schabt mit dem Löffel innen an der Eierschale entlang und trennt ein Stück Ei heraus, um es in den Mund zunehmen. Das samtige Gefühl überrascht ihn fast so viel wie der Geschmack.

„Das ist lecker!“, stellt er begeistert fest, „Und... und das gibt mehr Energie!“ Layton sieht ihn fröhlich an und nickt: „Ja. Gekochte Speisen geben mehr Energie als rohe Grundstoffe. Je komplexer, desto besser. Weiches Ei kannst du auch aufs Brot schmieren, wie Frischkäse! Warte, ich mach dir ne Scheibe!“ Also nimmt der Professor ein neues Ei, teilt es ebenfalls und löffelt den Innenteil auf eine Brotscheibe. Dann steht er auf, nimmt einen unversehrten Kräutertopf und trennt ein Büschel ab, um es auf einem Brettchen klein zu hacken. Leon beobachtet ihn neugierig. Dann schmiert Layton die Eiercreme aufs Brot, würzt sie mit den Kräutern und Salz und Pfeffer und reicht die Scheibe Leon.

Der beißt einmal ab und ist direkt überwältigt. „Mh. Mow. Dosch schmöckt Bombe!“, verkündet er vollmundig. Er kann sich nicht erinnern, wann er zuletzt etwas so Gutes gegessen hat. Nach ein paar weiteren Bissen erklärt er mehr als Feststellung: „Du kannst kochen!“ Layton lächelt geschmeichelt und gibt zurück: „Ja, kochen kann ich. Und ich kann es dir beibringen, wenn du willst.“ „Ja, bitte!“, nickt Leon eifrig, und nimmt dankbar auch die zweite Scheibe an, die der Professor ihm schmiert. Der stützt den Kopf in die Hand, um Leon freundlich zu mustern und zu sagen: „Mit was für Kleinigkeiten man dich glücklich machen kann... Süß.“

Leon bleibt fast der Bissen im Hals stecken. Irgendwie reißt ihn die Bemerkung raus aus seiner Trance und er besinnt sich wieder auf seine Aufgabe. Fast wehmütig schiebt er das eklig wohltuende Gefühl beiseite, das sich ausbreiten wollte. Ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit. Von Umsorgt-werden. Etwas kindlich Naives. 'Was dich schwach macht! Du bist kein kleiner Junge mehr, dem die Mami ein Pausenbrot schmieren muss, verdammt!', schimpft er mit sich und wird wieder ernst. Entschlossen trinkt er den Becher Kaffee in einem Zug aus, womit er Layton erneut verblüfft, wischt sich dann mit dem Handrücken über den Mund und steht zackig auf, um zu verkünden: „Ich bin satt. Können wir gehen?“