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Es war gegen Mittag. Die Sonne schien wärmer als in den letzten Wochen. Es musste die letzte Hitzewelle für dieses Jahr sein. Der Herbst würde gehen und der Winter kommen. Die Temperaturen würden schnell sinken und der Schnee das Land bedecken. Pib stand auf seinem Posten der Schlossmauern und beobachtete die Westseite der Stadt. Wie sehr er sich immer langweilte, wenn er Wache auf den Mauern schieben musste. Pib war Mitglied der Armee. Auch er war schon mit Korr zu seinen Söldnertagen durch das Land von Delija gereist. Pib war einfach gestrickt und sehr naiv. Optimistisch und überdreht. Hinzu kam, dass er nicht grade für seine brillanten Geistesblitze bekannt war. Für ihn war die Welt einfach. Er sah sie nur schwarz und weiß. Es gab nur Gut und Böse. So fühlte er sich mit seinem Gewehr als bevorzugte Waffe wie ein Rebell unter den Elfen. Pib war ein Elf, kein Hoch- oder Waldelf. Ein normaler Elf. Die Dörfer und Städte des Elfenvolks wurden schon vor Jahrhunderten in Kriegen vernichtet. Nun waren sie weit über Delija und den anderen Kontinenten verteilt. Das Elfenvolk der Hochelfen bevölkerte auf den fliegenden Inseln ihre hochtechnischen Riesenstädte. Vor zwei Jahrhunderten gab es den dritten großen Krieg von Delija. Die Hochelfen griffen Delija an und eroberten einen Großteil des nördlichen Landes. Da die fliegenden Inseln sich in festen Bahnen über den Kontinent bewegten, fanden die Angriffe überall in Delija statt. Die höherentwickelte Technik der Elfen ermöglichte ihnen, ohne nur einen Fuß auf Delija zu setzen, Städte zu vernichten. Gewaltige magische Energiestrahlen, die sie direkt von ihren Himmelsfestungen abschossen, zogen eine Spur der Vernichtung durch das Land. Delija wehrte sich mit Luftschiffen und bemannten Flugtieren wie Riesenvögeln und Flugechsen. Die Hochelfen verloren den Krieg, als ihre Hauptstadt Himmelszorn, welche die einzige fliegende Insel war, die von den Elfen gesteuert werden konnte, über die nördliche Grenze von Delija hinaus North angriff. Der Streitmacht der North waren selbst sie nicht gewachsen. Die Waldelfen lebten in ihren Dörfern und Städten, tief in den Wäldern. Sie galten als friedliches Volk. Sie waren naturverbunden und magisch sehr begabt. Ihren Göttern erbauten sie Schreine, in deren Zentrum ein mächtiger Manakristall dem Wald Leben gab. Zum Schluss gab es noch die Aschelfen. Die in den Wüstenregionen beheimatet sind. Ewigkeiten lebten sie in Delija in unterirdischen Tunnelsystemen. Sie zeigten sich nie freiwillig und streiften höchstens bei Nacht durch die Wälder. Sie mieden Dörfer, Städte und das Tageslicht. So galten sie auch in einigen Kulturen als Mythen. In anderen Kulturkreisen als Vampirwesen oder Dämonen, die Unheil brachten. Da sie so gefürchtet wurden gab es lange Jahre eine Hetzjagd auf die Aschelfen. Zu dieser Zeit wurden sie noch Schatten- oder Dämonenelfen genannt. Sie wurden in die Wüsten von Lorre vertrieben. Wo das starke Sonnenlicht der Wüste ihnen die lichtempfindliche sehr helle Haut verbrannte. So färbte sie sich Grau. Die Elfen welche diese Hetzjagd überlebten siedelten sich in der Wüste neu an. Und gaben sich, als nun in der Wüste lebendes Volk, ihren neuen Namen. Sie waren seit jeher sehr streng mit ihrer Kultur und ihrem Glauben. Nach über zwei Jahrhunderten der Differenzen schlossen sie Frieden mit den anderen Völkern. Nun trieben sie regen Handel mit ihnen, dazu zählte hauptsächlich der Absatz mit einer großen Vielzahl von Reittieren. Alle Elfen unterschieden sich in der Länge ihrer Ohren, ihrer dominanten Haar- und Hautfarbe. So wie ihrer Augenfarbe. Ein Elf fiel kaum unter den Menschen auf, da er nur leicht spitze Ohren hatte. Wohingegen Hoch- oder Waldelfen schon durch ihre sehr langen und spitzen Ohren auffielen. Dazu kam ihre hellen Hautfarben und die magischen Aura, welche sie umgab. Diese Auren hatten die normalen Elfen und Elfinnen nicht. Auch die Aschelfen besaßen keine magische Aura, aber lange Ohren und eine aschfarbene bis dunkelgraue Hautfarbe.
Pib fuhr sich mit der Hand über sein kurz geschnittenes Haar. Er war gelangweilt. Pib war ein Quasselkopf und konnte manchmal stundenlang über ein Thema reden und seinen Gesprächspartner damit zu Tode langweilen. Es gab einen Grund, warum General Wilhelm ihn an vier Tagen auf der Stadtmauer als Wache einsetzte. So hatte man mal Ruhe vor ihm. In Richtung der Westmauer lagen nur ein Dorf und Wälder. Die Grenze von Vaanira konnte man unter einem Tag erreichen. Hinter ihr lag das Land Dimdor, an dessen Nordgrenze die Berge liegen. Weiter östlich kamen die Sümpfe von Rachland. Mit Dimdor gab es ein gutes Bündnis und es wurde Handel getrieben. Es gab also eigentlich keine Gefahr aus dieser Richtung zu erwarten. Pib hörte etwas in der Ferne. Ein Brummen. Es wurde lauter. Er legte seine Hand auf die Stirn und sah in die Ferne. Eine Gestalt am Horizont und ein Brummen. War es eine Maschine? Die Gestalt bewegte sich schnell. Ein Fahrzeug? Pib war sich nicht ganz sicher, ob er Alarm schlagen sollte oder nicht. Er kniff die Augen noch mehr zusammen. Es war ein Fahrzeug, ein Motorrad. War das der Omega? Korrs Motorrad? Ja! Korr ist zurück. Pib freute sich sehr. Pib lief zur Tür, die in den Flur führte, welcher zum Westtor leitete. Als er die Tür zum Innenhof des Westtors öffnete, fuhr Korr gerade mit dem Omega ein und grüßte den Torwächter. Pib war schon immer begeistert vom Omega. Ein Motorrad aus Drachenteilen und extra hartem Titanstahl. Angetrieben von Magie und so schnell, dass man Angst bekommen konnte. Korr fand die Maschine einige Zeit nachdem sie durch das Land gezogen waren. Omega war eigentlich eine der vier großen Göttermaschinen, die vor Hunderten von Jahren den Völkern das Wissen über die Technik und somit die Möglichkeiten zum Maschinenbau gaben. Sie kamen von jenseits des Meeres und waren alle vier hochintelligent und schier unzerstörbare Kampfmaschinen. Alpha, Beta, Omega und Mega, die vier Götter der Maschinen. Omega fuhr das Motorrad, welches nun in Korrs Besitz war. Als Korr die Maschine tief in den Bergen fand, war ihm zuerst nicht bewusst, was er dort vor sich hatte. Sie lag unter Geröll und war zugewuchert von Höhlengewächs. Er hätte nie damit gerechnet, dass dies das legendäre Motorrad von Omega sein könnte. Denn die Maschinengötter waren schon vor den Drachenkriegen verschwunden. Als Korrs Freund, Davin, die Maschine wartete, fanden sie die Symbole der Götter. Sie fielen fast vom Glauben ab. Nach fast drei Monaten hatte Davin den Omega fertig und Korr ein neues Gefährt. Ein Motorrad aus mattschwarzem Stahl. Die Front geformt wie ein Drachenkopf. Die Auspuffrohre waren verchromt. Das Profil der Räder, grub sich immer tief in ungepflasterte oder ungeteerte Straßen ein. Pib staunte jedes Mal aufs Neue, wenn er dieses Höllengerät sah. Er lief auf Korr zu, sie schlugen ein und freuten sich beide den anderen zu sehen.
„Korr! Mensch ist das toll, dich zu sehen. Wo sind Oteks und Philip? Habt ihr den Tricera-Rex besiegt?“ Pib war wie immer aufgeregt und wirkte jugendlich, fast schon kindisch in seinem Verhalten. Korr sah ihn ernst an.
„Oteks ist tot. Der Tricera-Rex hat ihn gerissen.“ Pib wurde blass. Er musste sich erst einmal auf den Boden setzten. Pib rang mit den Tränen. Oteks war einer seiner engsten Freunde über die Jahre geworden. Korr stieg von seinem Motorrad ab. Er hockte sich neben Pib und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Pib? Wird es gehen?“ Pib atmete tief ein.
„Ja doch, ich denke schon. Ist Philip auch tot?“
„Philip ist krank geworden, wir brachten ihn ins Krankenhaus und zogen allein weiter. Ich weiß nicht was mit ihm ist, aber es war das Krankenhaus von Dimdor und da er ja aus Dimdor kommt, ist er vielleicht nach Hause gegangen. Er wollte ja eh nie wirklich hier am Hof sein. Was den Tricera-Rex angeht, er ist tot, hier ein Andenken an ihn.“
Korr stand auf und zog einen Beutel unter seinem Umhang hervor. Pib nahm ihn an sich. Er wickelte ihn auf. In ihm war das Schnauzenhorn vom Tricera-Rex.
„Ich glaube, Vincent wollte es zu Schulungszwecken haben. Kannst du es ihm bringen, Pib?“
„Aber natürlich. Ich werde mich gleich auf den Weg machen, Korr.“ Pib blieb noch einen Moment sitzen und beruhigte sich. Oteks Tod war für ihn nicht leicht zu verkraften. Tränen liefen ihm die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten wischte er sich mit seinem Ärmel das Gesicht ab. Korr nickte Pib zu. Pib nickte zurück, stand auf und ging in Richtung Schloss. Der Motor startete, Korr fuhr die Hauptstraße in Richtung des Handwerksviertel. Zügig steuerte er durch die belebte Innenstadt. Er überholte andere Fahrzeuge der Armee oder Reittiere, um schnellstens zur Werkstatt von Davin zu gelangen. Viele Leute, die Korr sahen, winkten ihm freundlich zu. Als einer der vier Lords des Schlosses war er sehr bekannt. Die Lords standen direkt unter dem König und der Königin, was die Befehlshierarchie anging. Er war nie jemand, der sich etwas aus diesem Titel gemacht hatte. So war ihm der Titel des Lord auch eigentlich egal. Der König bestand darauf, seinen vier besten Mitstreitern und Freunden diesen Titel zu geben. Somit hatte Korr auch eine gewisse Verantwortung am Hof. Sie alle saßen im königlichen Rat. Lord Wilhelm und Korr waren für die Armee, die gesetzliche Ordnung und die Verteidigung im Königreich zuständig. Wobei sich Korr aus vielem raus hielt. Zwar lernte er einige Rekruten an und leitete Einsätze im Kampf gegen Monster und böse Mächte, die im Schloss einfallen wollten, doch waren die letzten Jahre sehr ruhig geworden. Viele junge Männer wollten von ihm für die Monsterjagd ausgebildet werden. Korr war jedoch nicht der Typ für ein Leben hinter dicken Mauern. Wo er sich sicher fühlen konnte. Korr brauchte die Freiheit, diese Vorahnung von Gefahr, die einen Tag spannend machte. Den Geruch des Abenteuers. Wohl einer der Gründe, warum er so oft auf Monster- und Dämonenjagd ging. Es steckte in ihm, als North war er ein Krieger und Jäger. Ein Abenteurer und unter bestimmten Bedingungen, eine Kampfmaschine. Dies auch aufgrund seiner Abstammung. Denn ein North trägt das Erbe von Göttern in sich. Welches ihm die Möglichkeit gibt, die "Göttlichekraft" zu nutzen. Diese steigert seine Köperkraft extrem. Sie birgt aber auch die Gefahr, in einen Kampfrausch zu verfallen oder sogar seinem Körper zu schaden. Diesen Kampfrausch nennt man die "Göttlicherage" und wird meist durch Wut und Hass ausgelöst. Die Göttlichekraft entfesselt ein North selbst, wenn er sie erlernt hat und im Kampf braucht. Die Göttlicherage hingegen bleibt eine unkontrollierte Macht, welche auch von den North gefürchtet wird.
Lord Wilhelm ist für alle Aufgaben zuständig, die Korr gerne umgeht. Er erledigt diese mit Freude und ohne Murren. Lord Balthasar und Lord Vincent, beides gelehrte Magier, kümmerten sich um das Sozialsystem, das jedem Bürger des Königreichs ein gutes Leben ermöglichen soll. Hinzukommt noch die schulische Ausbildung. Sowohl von den Kindern und Jugendlichen, die in den Schlossmauern leben, als auch von denen, die in den umliegenden Dörfern lebten. Ihr Herzblut liegt aber in der Ausbildung von Jungmagiern am Hofe von Vaanira.
Korr hielt vor der Werkstatt seiner Freunde Davin und Dox. Sie waren Schmiede und Mechaniker. Davin lernte Korr schon auf Reisen kennen. Dox kam dann kurz, nachdem sie sich im Schloss angesiedelt hatten, in Davins Werkstatt dazu. Dox war ein Felstroll. Er war gute zwei Meter zwanzig. Dabei hatte er sehr kurze Beine und seine vier Arme waren so lang, dass sie in den Kniekehlen hingen. Dox Unterarme waren gut doppelt so dick wie seine Oberarme und seine Hände riesig. Er hatte einen langen Rumpf und für den Rest seines Körpers wirkte sein Kopf recht klein. Üblich wie bei allen Felstrollen hatte er orange Haut, die aus Stein bestand. Wo die Menschen Haare hatten, wuchsen den Felstrollen im Laufe ihres Lebens sehr massive Steinhaut. Die eine hüglige Landschaft auf den Felstrollen bildete. Davin hingegen war ein Mensch. Mit dichten blonden Locken und wie immer hatte er eine Schweißerbrille auf dem Kopf. Dazu trugen die beiden ihre Schweißerschürzen und riesige Handschuhe, die fast bis zu den Schultern gingen. Sie begrüßten Korr freundlich, jeder mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem Kaffee in der Hand.
„Na, ihr habt ja förmlich auf mich gewartet, Hallo“, grüßte Korr.
„Hallo, du kommst immer, wenn wir Kaffee trinken. Möchtest du auch einen?“ fragte ihn Davin mit einem Lächeln.
„Nein danke, ich werde gleich weiter. Omega lasse ich euch hier, dass ihr mal drüber schaut. Er stand lange an der Grenze von Dimdor, ich glaube zwar nicht, dass die Felstrolle, bei denen ich ihn stehen lassen habe, etwas damit gemacht haben, aber er könnte schon mal wieder durchgesehen werden. Ich werde Balthasar fragen, ob er ihn demnächst wieder mit Magie laden kann.“
„Jo, ich schau ihn morgen mal durch. Heute schaff ich das nicht mehr.“ Sagte Dox, während die Zigarette in seinem Mundwinkel auf und ab wippte. Er war ein weitaus besserer Mechaniker als Davin und hatte damals dem Omega den letzten Schliff gegeben, dass er nun noch mehr Leistung erzielte.
„Was ist mit deinem Schwert? Soll ich es schleifen oder es auf Brüche kontrollieren?“ fragte Davin Korr.
„Nein, das haben die Felstrolle schon erledigt, als ich den Tricera-Rex erjagt hatte, aber ich habe von ihnen dieses hier bekommen.“ Korr holte aus seiner Tasche einen Beutel, in dem es klimperte.
„Die Trolle haben ein neues Erz gefunden, vielleicht könnt ihr damit etwas anfangen, sie kennen es nicht und ich hab von so etwas ja keine besonders große Ahnung. Zwei Edelsteine sind auch noch dabei. Sie waren sehr dankbar, da die Bestie jetzt auch ihnen nicht mehr gefährlich werden kann.“ Korr gab Davin den Beutel, welcher ihn neugierig öffnete und ein Stück Erz herausnahm. Auch Dox beugte sich herunter und nahm ein Stück.
„Oh, das sieht magisch aus, vielleicht Elfenerz. Das gibt es sonst nur auf den fliegenden Inseln. Interessant, dass sie es in Dimdor gefunden haben. Danke dir, stell den Omega hinter das Gebäude, wir holen ihn dann rein.“ sagte Davin zu Korr.
„Ich glaub nicht, dass das Elfenerz ist. Vielleicht altes Relikterz der Magier und Alchimisten, die neue Metalle erfinden wollten“, murmelte Dox.
„Musst du mich immer dumm dastehen lassen, Dox?“ Fragte Davin mit einem leichten Lachen in der Stimme.
„Ich meine ja nur“, grummelte Dox als Antwort.
„Alles klar ihr Beiden. Ich mach mich auf den Weg ins Schloss, ich will noch bei Balthasar vorbeischauen, bevor ich zum König gehe. Also bis die Tage.“
Korr winkte zum Abschied und fuhr den Omega hinter die Werkstatt, er nahm seine Sachen, die er unter dem Sitz verstaut hatte, darunter auch Oteks Gewehr und seinen Schmuck. Den Ehering, den er auch nach dem Tod seiner Frau trug, die Kette mit dem kleinen Rubin und den Armreifen, auf dem die Namen seiner Frau und Tochter eingraviert waren. Morgen würde er zu ihr gehen. Ihr sagen müssen, dass nun auch ihr geliebter Vater tot ist. Morgen, nicht heute. Er konnte es noch nicht, er musste erst darüber nachdenken, wie er es sagen sollte. Einen Moment hielt er inne, dann schüttelte er den Kopf, drehte sich ab und ging in Richtung Schloss.
Das Schloss von Vaanira war keins der Schlösser mit einem hohen technischen Fortschritt. Nicht wie in den großen Städten und Schlössern, die eine umfangreiche Infrastruktur aus Magie und Technik aufweisen. Die Hochelfen auf den fliegenden Inseln besaßen die, technisch an höchsten entwickelten Städte. Doch sie wollten ihre Technologie nicht teilen. Nicht einmal mit ihren Artverwandten anderen Elfenvölker. Vaanira war technisch gesehen ein mittelmäßiges Schloss. Es gab Maschinen, die es mit Strom, warmen Wasser und Wärme versorgten. Eine veraltete Maschine, namens Magnitech war im gesamten Schloss verbaut. Magnitech bot die Möglichkeit von bildlichen Darstellungen, für strategische Einsätze von Armeen, die Übertragung von Nachrichten unter den Königreichen und ein Verzeichnis von Informationen rund um Vaanira und das Land. Diese Informationsquelle wurde immer wieder aufs Neue von den Gelehrten erweitert. Magnitech wurde von Magie und Strom betrieben und musste regelmäßig geladen werden. Ein großer Manakristall befand sich am höchsten Punkt des Schlosses. Der Kristall war fest mit der Maschine von Magnitech verbunden. Sie zog sich durch die Böden und Wände des ganzen Schlosses. In einigen Räumen befanden sich stationäre Pulte. Die über die Kabel und Rohre direkt auf das Datensystem von Magnitech zugreifen konnten. Mit ihnen war es auch möglich, andere Königreiche zu kontaktieren, die sich in Reichweite der Mana Wellen des großen Manakristall befanden. Kleine Manakristalle konnten so als mobile Kommunikationsmittel benutzt werden. Wer befugt war, Magnitech zu bedienen, entschied der König. Die Personen bekamen einen Armreif, der als Bedienungselement fungiert. Mit ihm konnte man im kompletten Schloss von Vaanira Magnitech bedienen. Die Qualität der Darstellungen und Übertragungen war schlecht und nicht immer klar. Hin und wieder brachen Nachrichten während der Übertragungen ab oder Aufzeichnungen konnten gar nicht wiedergegeben werden. Doch Magnitech erleichterte trotz der veralteten Version vieles. Vor allem den Unterricht der Schüler im Schloss und die Ausbildung der Magier und Soldaten. Korr war der Technik nicht abgeneigt, er nutzte sie nur nicht oft. Vaaniras Schloss lag auf einer kleinen Anhöhe am Ende der Stadt, welche von der Schlossmauer umzäunt war, die hinter dem Schoss endete. Die Stadt selbst war in vier Viertel aufgeteilt, die von den vier Hauptstraßen getrennt waren. Handwerksviertel, Industrieviertel, und zwei Wohnviertel. Der Markt, beziehungsweise die Einkaufsläden, befanden sich zumeist an der großen Kreuzung in der Stadtmitte, auf der sich das Denkmal an den Erbauer und ersten König der Stadt von vor mehr als dreihundert Jahren befand. Das Schloss selbst hatte einen Innenhof, welcher meist als Übungsplatz für Anwerber der Armee oder Magierrekruten genutzt wurde. Das Schloss war in Rautenform angeordnet, es hatte fünf Etagen und vier Flügel, in dessen Mitte sich ein siebenstöckiger Turm befand. Der Turm war der Hoheitsbereich. Hier waren unter anderen der Thronsaal, der Konferenzraum, das königliche Bad und die Gemächer des Königs und der Königin. Die Lords wohnten je in einem ihrer eigenen Flügel des Schlosses. Jeder Flügel hatte Räumlichkeiten für die Angestellten, Kantinen und Sanitäranlagen. Korr wohnte im Nordflügel, der König fand es lustig, ihm als North, die aus dem Norden kommen, den Nordflügel zuzuteilen. Er hatte den besten Ausblick auf den Schlossgarten, der hinter dem Schloss lag. Wilhelm den Südflügel, in Richtung des Innenhofs und mit den Trainingsräumen für die jungen Rekruten der Armee. Vincent wurde der Westflügel zugeteilt, wo sich die meisten Schulungsräume befanden. Vincent Lion war ein Felidae, eine fast zwei Meter große anthropomorphe Raubkatze. Aufrecht gehend und mit dem Fell eines Löwen, es gab sie in sämtlichen Fellfarben. Vincents Fell war schwarzblau. Sein breiter Kopf und die volle Mähne gaben ihm schon das Aussehen einer Respektsperson, der Titel tat sein Übriges. Als Vincent noch jünger war, war seine Mähne kaum vorhanden, aber wie bei allen Felidae kommt der Übergang von jugendlicher Katze zur mächtigen Raubkatze sehr schnell. Innerhalb eines Jahres wirkte Vincent nicht mehr wie der unerfahrene Magier, sondern wie ein gelehrter Veteran der Magie. Lord Balthasar bekam den Ostflügel, mit den Bibliotheken und den restlichen Schulungsräumen. Durch diesen Flügel des Schlosses schlenderte Korr gemütlich in Richtung von Balthasars Gemächern. Balthasar standen drei Räume im Schloss zur Verfügung. Eine Bibliothek, ein Arbeitszimmer für seine Experimente und ein Schlafgemach. Korr fand Balthasar in seinem Arbeitszimmer. Wahrscheinlich versuchte er wieder ein Rätsel der Magie zu lösen, an dem schon Hunderte vor ihm gescheitert sind. Unmengen an Schriftrollen, Werkzeuge, Maschinen, alchimistischen Substanzen waren auf seinem Arbeitsplatz um ihn gestapelt. Korr schritt langsam auf ihn zu. Balthasar war zu vertieft in seine Arbeit und bemerkte ihn nicht. Als Korr ihm mit voller Wucht die Hände auf die Schultern schlug, zuckte er zusammen und schrie laut auf. Sein Schrei erinnerte an den eines kleines Mädchen. Balthasar fuhr herum und starrte Korr aus großen, panischen Augen an. Eine kräftige und brüderliche Umarmung folgte.
Balthasar war ein kurz gewachsener Mann von kräftiger Statur. Durch das ruhige Schlossleben hatte er sich gehen lassen und nicht gerade wenige Kilo zugenommen. Sein kurz geschnittenes Haar war einst tiefschwarz, nun ist es durchzogen von einigen grauen Strähnen. Dabei war er sogar jünger als Korr. Als die Beiden sich kennen lernten, war sein Haar lang und verfilzt. Untypisch für die Magier des Ostbundes, da sie meist auch Kriegerfrisuren wie Irokesen oder Undercut trugen. Der Ostbund der Magier beherrschte eine gute Mischung von schwarzer und weißer Magie. Sie kombinieren Magie mit der waffenlosen Kampfkunst. Ihre Vielzahl an magischen Künsten ist darauf ausgelegt, Angreifer abzuwehren, nicht diese direkt zu töten. Aber auch dies können sie. Sogar schnell und erbarmungslos, wenn es drauf ankommt. Balthasar ist ein ruhiger und geselliger Magier. Er ist ehrgeizig im Studieren der magischen Künste. Manchmal vertieft er sich tagelang ohne Pause in seine Studien. Einst gelang ihm fast ein Durchbruch in der hohen Magie. In alten Schriften las er von der Möglichkeit zwei Elementarzauber zu einem mächtigen neuem Zauber zusammen zu schließen. Dies war eine Kunst, die wohl nur die alten Könige der Magier in jahrzehntelangem Training erlernten. Was aber schon Jahrhunderte zurück lag und die Kunst war allen anderen Magier zu dieser Zeit verwehrt. So geriet sie in Vergessenheit. Die alten Könige gab es nicht mehr und ein offizielles Verbot auch nicht. Also begann er mit seinen Studien. Was nun genau zum Fehlschlag führte, war ihm nicht bewusst. Die Möglichkeit, Feuer und Wasser zu einem meisterhaften Zauber zusammen zu schließen, klang für ihn großartig. Dass er dabei nicht nur sein Labor, sondern auch fast den ganzen südlichen Trakt des Schlosses in Flammen setzte, ist eine andere Sache.
Balthasar freute sich sehr über die Rückkehr seines Freundes Korr.
„Balti, du alter Hund!“ Sagte Korr laut und freundlich.
„Der krause Bart ist ja weg. Wolltest du jünger aussehen?“
„...Ja...eigentlich nicht.“ Antwortete Balthasar, mit ruhiger und brummender Stimme
„Ich hatte nur keine Lust mehr drauf. Schön, dass du wieder da bist. Waren ja jetzt fast zwei Monate.“
„Zwei lange Monate? Es kommt mir vor wie Tage.“ erwiderte Korr leicht verwundert.
„Sind schon einige Tage ins Land gegangen, aber ist ja nicht schlimm. War die Jagd erfolgreich?“
Korr zog einen der Holzstühle, die an Balthasars Esstisch standen, zurück, legte sein Schwert ab und setzte sich.
„Ja, nimm doch Platz.“ sagte Balthasar mit unsicherer Stimme.
„Ich nehme an, es ist alles gut gegangen?“
„Ja, ist es. Ich habe diesen verfluchten Tricera-Rex zwar gefühlt durchs halbe Land gejagt, aber es ging alles gut. Bis auf…“Korr hielt kurz inne.
„Oteks ist tot. Er wurde vom Tricera-Rex entzweigeteilt. Doch ich habe ihn dann erlegt. Nun kann er nie wieder die Umgebung unsicher machen.“ Balthasar atmete schwer aus. Er rieb sich mit der Hand über die Stirn und schluckte trocken.
„Er war so ein guter Freund.“ Beide schwiegen einen Moment. Ohne Balthasar anzusehen, redete Korr.
„Wir haben schon so viele Freunde verloren, Balti. Doch Oteks, dachte ich, überlebt uns alle.“ Sie schwiegen eine weitere Minute in Gedenken an ihren Freund.
„Und was hast du jetzt vor? Warst du schon bei Ike?“
„Nein, König Ike habe ich noch nicht gesehen, aber zu ihm gehe ich gleich. Nicht dass der Gute traurig wird, mich nicht zu sehen. Erstmal werde ich mich wohl etwas ausruhen. Du könntest dir übrigens mal Omega ansehen, ich glaube, er muss wieder magisch aufgeladen werden. Ich habe mir ab der Grenze von Tildorn ein Pferd genommen und habe Omega bei den Felstrollen von Dimdor zurückgelassen, aber sicher ist sicher.“
„Ja, sicher ist sicher, dass sind ja auch mit Omega einiges an Meilen und Tagen Fahrt. Also wenn du noch nicht beim König warst, wird er es dir bestimmt noch sagen.“
„Was denn?“ Korr sah Balthasar neugierig an.
„Na, ich will jetzt nichts ausplaudern oder so.“ Korr zog eine Augenbraue hoch. Das tat er meistens, wenn jemand keinen Klartext redete.
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„Ja, also er hat wieder Mist gebaut und mit Anriel geschlafen. Aber du weißt es nicht von mir. Am besten weißt du nichts.“
Korr atmete tief ein und guckt Balthasar mit mitleidigem Gesicht an.
„Das muss er selbst wissen. Mir ist das zu blöd. Er hat eine Königin. Also, wenn er es mit seinem Gewissen vereinigen kann, er hintergeht seine Frau und seine Freunde.“
Balthasar schaute zu Boden und kratzte sich am Kopf. Als er beginnen wollte zu reden, fährt Korr ihm dazwischen, ohne ihn anzusehen.
„Und weiß es Wilhelm? Ariels Bruder. Oder Jörn, ihr Freund?“
„Natürlich nicht und wir sollen nichts sagen, weil er sonst Probleme bekommt. Das ist immer so, wenn er Scheiße baut. Immer muss er großkotzig erzählen, aber für seinen Mist nicht geradestehen wollen.“ Balthasar wirkte sehr ärgerlich.
„Mir ist aufgefallen, dass er sich sehr geändert hat, seitdem wir hier im Schloss leben. Klar, für ihn ist es toll, vom Waisenkind zum König. Aber irgendwas hat ihn geändert. Ist es vielleicht die Macht, die er jetzt hat?“ Erwiderte Korr mit ruhiger Stimme. Balthasar winkte ab.
„Macht verändert die Leute. Ihn wohl auch. Lass uns das Thema wechseln. Es nervt auch nur noch. Wie war es bei den Felstrollen? Haben sie bald wieder Handelsgüter für uns?“
„Sie werden wohl bald wieder rumkommen. Gnof, der große, der dir den Obelisken mit den Runen verkauft hat, lässt grüßen. Er hat wohl auch ein paar schöne Edelsteine tief in den Mienen gefunden. Er hofft, du kannst damit was anfangen.“
„Das ist ja nett. Echt gut, dass er an mich denkt.“
„Ich glaube, er will dich über den Tisch ziehen. Zumindest kam es mir so rüber.“
„Das ist natürlich noch netter. Mit dem dicken, kleinen Magier kann man's ja machen. Oh man, schon fies.“
Sie grinsten sich an. Dann folgte Stille. Balthasar wurde ernst.
„Du warst nah an der Grenze von North?“ fragte er.
„Ja, war ich, ziemlich nah an meiner alten Heimat.“ antwortete Korr
Korr hatte die Arme verschränkt und saß entspannt auf dem Stuhl. Balthasar stand ihm gegenüber. Er fing an, etwas nervös zu werden und sich die Stirn zu reiben. Korr sah an ihm vorbei ins Leere, immer noch mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Balthasar rang nach Worten.
„Und...und warst...warst du auch bei...bei ihnen?“
Einen kurzen Moment passierte nichts, plötzlich verfinsterte sich Korrs Miene. Seine Augen wurden feucht und klar. Sie starrten zwar ins Leere, aber vor seinem inneren Auge müssen sich Szenen und Bilder des absoluten Horrors abspielen, dachte sich Balthasar. Diese Bilder mussten ihn traurig und wütend zugleich machen. Und Balthasar war klar, dass dies eine falsche Frage war. Er wollte sich schon entschuldigen, als Korr tief einatmete und langsam wieder die Luft aus seinen Lungen drückte. Dann zog er schnell Luft ein, blinzelte, sah sich kurz um und stand auf. Sein Gesicht zeigte keine Trauer mehr. Es wirkte nur etwas verschlafen. Korr schnallte sein Schwert wieder um.
„Ich werde mich beim König sehen lassen, wir treffen uns später, mein Bester.“
„Korr, es tut mir leid, ich wollte nicht...“
Korr ignorierte diesen Satz.
„Ich nehme an, der König wird eh einen Umtrunk auf die Erlegung des Tricera-Rex im engstem Kreis machen. Also bis später.“
Korr schritt aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Balthasar sah ihm nach und überlegte, ob er wirklich eine falsche Frage gestellt hatte oder ob er diese nur falsch gestellt hatte.
Die Wachen am Torbogen zum Thronsaal grüßten Korr freundlich. Er schritt an ihnen vorbei in den prachtvollen Raum, dessen Boden mit spiegelglatten, schwarzen Marmorplatten versehen war. Links und rechts zwischen den sechs Fenstern standen auf jeder Seite drei, fünf meterhohe, runde, dunkelgrüne Marmorsäulen. Ihre Sockel waren aus Gold und stützten die Decke, an der ein riesiger Kronleuchter hing. Der König und die Königin standen von ihrem Thron auf und eilten, mit weit geöffneten Armen, auf Korr zu. Korr umarmte die Königin, die sich sehr freute ihn zu sehen, auch der König bekam eine kräftige Umarmung, auch wenn ein komisches Gefühl sie begleitete.
„Schön, dass du wieder da bist, Korr.“ Sagte der König mit einem breiten Grinsen. Seine blauen Augen wirkten falsch und die Aussage ironisch. Die Königin schien zu merken, dass es Korr nicht ernst gemeint vor kam und sprach mit sanfter, freundlicher Stimme.
„Wir freuen uns wirklich, wie ist es dir ergangen?“ Wollte sie wissen.
„Ich bin auch froh wieder hier zu sein. König Ike, Königin Cathwin, ich freu mich euch zu verkünden, dass der Tricera-Rex tot ist. Leider muss ich beifügen, dass unser alter Freund und Weggefährte Oteks sein Leben lassen musste.“
„Wir hörten bereits von Pib die traurige Kunde.“ Während sie sprachen, setzten sich der König und die Königin wieder auf ihren jeweiligen Thron. Kaum hatte der König sich gesetzt, sprang Ziligon, ein kleiner Gobelin mit schmieriger, lediger, grauer Haut und großen gelben Augen, auf König Ikes Schultern. Er war keine vierzig Zentimeter groß, total mager und immer nackt. Wobei sein kleiner Gobelin Penis zwischen seinen Beinen baumelte. Ziligon war hässlich, seine Nase riesig, die Ohren groß und unförmig, sein Körper und Zähne ungepflegt. Der König genoss in letzter Zeit sehr die Gesellschaft des Gobelins, da dieser den König, immer wenn er von seinen Schandtaten berichtete, Beifall klatschte. Korr konnte den kleinen Bastard, den sie tief in einem Stollen gefunden hatten, nicht ausstehen.
„Na Korr? Alles fit im Schritt?“ Kicherte der kleinen Widerling.
„Bei mir schon, aber mit der komischen Stelle an deinem rechten Hoden, würde ich mal einen Fachmann aufsuchen, Ziligon.“ Konterte Korr trocken. Der Gobelin verstummte und betrachtete verwundert sehr lange Zeit seinen rechten Hoden. Der König grinste. Korr fiel die Krone auf, die er vor seiner Abreise noch nicht trug. Auch sah es so aus, als hätte der König sich einen längeren und prachtvollen Umhang gegönnt. Unter ihm trug er ebenfalls eine neue Adelsrüstung mit schönen Details und Verzierungen. Die Königin trug ein elfenbeinfarbenes Kleid mit grüner Blumenstickereien. Sie war hübsch wie immer. Ihr noch so junges Gesicht hatte etwas Unschuldiges. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf geflochten.
„König Ike, was ist mit der Krone auf eurem Kopf? Ich dachte nur veraltete Könige und die arroganten Hochelfen tragen noch Kopfschmuck beim Regieren.“ Korr verschränkte die Arme und sah den König verwundert an. Dieser rückte die Krone leicht auf seinem hellbraunen Haar zurecht und legte seinen selbstverliebten Blick auf.
„Ja, schon, aber ich dachte mir, da ich das Land die letzten Jahre so gut regiert habe, gönne ich mir das mal. Außerdem passt sie so gut zu meinen neuen Ringen.“ Er hob seine Hände mit den dicken Goldringen. Die alle fünf, teure Edelsteine aufwiesen. Korr zog die Augenbrauen hoch.
„Keine Sorge, Korr, es sind genug neue Dörfer und Kleinstädte in letzter Zeit zu unserem Hof gekommen, die Schatzkammer ist nicht leer und wir haben genug zu essen. Freu dich doch, dass alles gut gegangen ist und wir auf den Tod der Bestie jetzt ein Gelage abhalten können.“ Die Königin sah ihn etwas enttäuscht an.
„Gut! Einen kleinen Umtrunk. Also heute Abend die ganze alte Truppe. Übrigens, nur das du nicht denkst, dass ich das ganze Geld für mich ausgebe. Wir haben neue Armeerüstungen die deiner magisch gewobenen Dämonenjägerrüstung sehr nah kommen. Hinzu kommen noch fünf neue Mecha-Roboter für die Armee, vier kleine mit drei Metern und ein Koloss von fünf Meter Höhe. Davin und Dox haben sie unter anderen gefertigt. Ja, und das Strom- und Wassernetz habe ich auch überholen lassen. Also ich denke immer noch in erster Linie an mein treues Volk.“ Der König lehnte sich zufrieden zurück. Korr grinste. Warum der König so viel Aufwendung in die Armee steckte, war ihm unklar, es gab offiziell in Delija kein Krieg mehr
„Da ist gar nichts an meinem Hoden!“ Kreischte Ziligon mit verärgerter, krächzender Stimme. Korr ignorierte ihn, er sah weiterhin nur den König an.
„Warum war mir das klar? Ich bin dabei, auch wenn in meinen Augen nicht alles gut gegangen ist.“ Sagte Korr.
„Die Sache mit Oteks? Ja, das ist traurig, aber nicht zu ändern. Wir werden unser Glas auf ihn heben und ihm Tribut zollen, wie es ihm gebührt.“ Korr nickte. Einer der Thronwachen schritt auf Königin Cathwin zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Es war eine neue Wache, er war jung und Korr hatte ihn noch vor seiner Reise angelernt, das Schwert führen zu können. Die andere Wache hatte nicht mal richtigen Bartwuchs, keiner von ihnen schien älter als achtzehn Jahre. Wieso stehen hier unerfahrene Kinder, um den König zu bewachen, hatte Wilhelm keine Rekruten mehr, die schon reifer und erprobter waren im Umgang mit einer Waffe? Fragte sich Korr. Er musste dies bei Gelegenheit in Erfahrung bringen.
„Was ist mit Philip? Habt ihr von ihm gehört? Wir mussten ihn ins Krankenhaus von Dimdor bringen.“ Der König winkte ab und schüttelte den Kopf.
„Ach, der ist nach Hause gelaufen wie ein kleines Kind zu seinem Vater und hat sich ausgeweint. Der gute Herr Papa fand es aber nicht so lustig und er kommt nun nach einigen Sondertrainingseinheiten wieder an unseren Hof um die Ausbildung abzuschließen.“ Korr nickte.
„Na dann. Die Felstrolle von Dimdor wollen uns demnächst neue Güter liefern, soll ich euch informieren.“
„Ich fragte mich schon, ob der Handelsweg mit ihnen eingeschlafen wäre.“ Sagte der König erstaunt. Die Königin stand von ihrem Thron auf, strich ihr Kleid glatt und ergriff das Wort.
„Tut mir leid, euer Gespräch zu stören, aber ich habe einen Termin, den ich wahrnehmen muss. Lord Korr, es hat mich sehr gefreut, dich wieder zu sehen, bis bald.“
„Bis bald eure Hoheit.“ Sagte Korr mit einer leichten Verbeugung. Die Königin nickte leicht und verließ den Thronsaal.
„Ich werde morgen zu Oteks Tochter gehen und ihr die Botschaft überbringen.“ Sprach Korr mit tiefer Stimme.
„Ja, tu das. So! Jetzt lass uns mal über wichtige Sachen reden, beim Umtrunk muss ich dir erzählen, was mir für Sachen passiert sind. Du wirst es mir nicht glauben. Ich sag dir nur, drei ist die Zahl! Nicht wahr Ziligon?“ Posaunte der König mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht.
„Oh ja! Drei ist die Zahl! Drei ist die Zahl!“ Lachte der Gobelin mit heraus gestreckter Zunge, während er in die Hände klatschte und dabei auf der Schulter der Königs schnell auf und ab wippte. Auch die Wache lachte leise und sah den König mit bewundernden Augen an. Korr zog entnervt Luft ein und atmete sie wieder aus, er rollte leicht mit den Augen.
„Ja, ich freu mich schon, eure Hoheit. Wenn ihr mich entschuldigt, ich möchte mir noch etwas Schlaf gönnen und ein Bad.“
„Das brauchst du auch, du miefst wie ein alter Sack Hurenunterwäsche.“ Kicherte Ziligon, Korr warf ihm einen bösen Blick zu und Ziligon verstummte.
„Mach das, wir sehen uns ja heut Abend gegen 19 Uhr. Dann gibt es Speis und Trank.“ Korr verbeugte sich leicht und wandte sich ab. Ziligon sah ihm feindselig nach. Der König war etwas verwundert und konnte Korrs Verhalten nicht einordnen. Korr zollte ihm schon seit längerem keine Aufmerksamkeit mehr. Auch Balthasar ging ihm immer mehr aus dem Weg. Die jungen Rekruten wussten wenigstens noch, wie man eine Geschichte von ihm würdigte, dachte er sich. Schnell waren die Gedanken vergessen, als er beschloss, die Zahl von drei vor dem Umtrunk noch auf vier kommen zu lassen. Doch davor wollte er den Wachen noch von seinen sexuellen Eskapaden, in Balthasars Schulungsräumen für junge Magier, berichten.
Mit leichten Kopfschmerzen verließ Korr den Thronsaal. Er begab sich direkt zu seinen Gemächern. Als er im Nordflügel ankam und gerade die Treppe zum fünften Stock nehmen wollte, stand gegenüber der Treppe, mit überkreuzten Armen an die Wand gelehnt, ein alter Bekannter. Es war Ron Aldego, der wohl beste Schütze, den Korr je kennen gelernt hatte. Er gehörte zum Klan der Aldego, die in den Regionen von Midloree als Meister ihres Fachs sehr hoch angesehen waren. So gesehen waren sie Söldner und Kopfgeldjäger. Ihre Wahl der Waffen begrenzte sich dabei auf Gewehre und Pistolen. Ron war der jüngste der drei Söhne seines Vaters. Sein Vater war der Klanführer und dessen Vater war, damals vor den Drachenkriegen, ebenfalls Klanführer. Die Aldego wurden von Kindesbeinen an als Schützen ausgebildet, ihre Hauptaufgabe bestand darin, das Land und den Hof von Midloree zu beschützen. Midloree konnte sich nur schwer in den Drachenkriegen halten und Rons Familie musste viele Verluste erleiden. Als Midloree fiel, war die Familie Aldego fast ausgelöscht. Als der Krieg vorbei war, wurde Midloree wieder aufgebaut und die letzten Aldego begannen ebenfalls, den Klan wieder aufzubauen. Keine leichte Aufgabe, denn es waren nur noch sechs von ihnen am Leben. Ron wurde fünf Jahre nach den Drachenkriegen geboren. Korr respektierte ihn und war sich sicher, wenn Ron nicht ein Meister mit seinen zwei Revolvern wäre, sondern mit dem Schwert, könnte er nicht sagen, wer von ihnen der bessere gewesen wäre. Was Ron ihm von der Ausbildung der Aldego erzählte, erinnerte Korr sehr stark an die Art, wie die North ihre Krieger von klein auf erzogen. An diese Tortur erinnerte sich Korr nur ungern, auch wenn er die Lehrlingszeit schnell hinter sich hatte, da er schon sehr jung als Krieger angesehen wurde und dann besser behandelt und auch respektiert wurde in seinem Stamm. Ron hatte, wie immer, seine Kapuze weit ins Gesicht gezogen und trug ein Halstuch über Mund und Nase. Er verdeckte so seine vernarbte untere Gesichtshälfte. Vor langer Zeit wurd ihm, in einem Akt der Folter, mit einem Messer die Haut im Gesicht abgezogen und das darunter liegende Fleisch verbrannt. In den Eben von Midlore waren Gruppen von Erpressern, die zur Foltermetoden griffen, um zu bekommen was sie wollten. Ron überlebte damals. Seine Eltern und seine drei Geschwister nicht. Ron hatte lange, dünne, dunkelblonde Haare, die bis auf die Schultern hingen. Die zwei Revolvergurte hingen überkreuzt um seine Hüfte locker herunter. Er trug seinen hellbraunen Mantel, darunter ein Shirt und eine lange Hose, welche beide schwarz waren. Wie immer steckte er seine Hose in seine Stiefel, eine Angewohnheit, die er noch aus seinen Tagen in den Midloree Steppen hat. Damit keine giftigen Kleintiere in seine Stiefel kriechen können. Der Gang war leer, Korr schritt auf Ron zu, der ihn aus den Augenwinkeln beobachte. Sie gaben sich die Hand.
„Ron, du bist noch hier? Ich dachte, du wolltest zum Winter hin nach Midloree.“
„Ich wollte morgen aufbrechen, doch wenn du heute wieder da bist, kann ich ja heute schon gehen.“
„Okay, wolltest du mir noch irgendwas sagen, bevor du aufgebrochen wärst?“
„Wahrscheinlich hätte ich dir eine Nachricht hinterlassen, wärst du nicht da gewesen.“
Ron drehte sich zu Korr und sah ihn ernst an. Er war einen guten Kopf kleiner als Korr. In seinen Augen sah Korr, dass es Ron wichtig war, dass er ihm zu hört.
„Korr, dein König ist nicht mehr, wer er einmal war. Ich kenne ihn nicht so gut wie du und ich kann dir nicht sagen was es ist, aber er…“ Ron legte eine nachdenkliche Pause ein.
„…Ich denke um seine Interessen zu vertreten, geht er über Leichen. Dann ist jeder für ihn nur ein Bauer in seinem Schachspiel des Wahnsinns.“
„Ja, ich weiß was du meinst, Ron. Er braucht die Bestätigung von seinen Leuten. Jeder soll ihn anhimmeln und verehren, aber wehe irgendwer zweifelt ihn an. Jeder, der ihn schlecht macht oder ihn mit der Wahrheit konfrontiert, was ihn angeht, ist ein Staatsfeind und muss verbannt werden. Er hat sich sehr geändert. Hinzu kommen sein Netz aus Lügen und Betrügereien unter seinen engsten Vertrauten. Seine Affäre und so weiter. Ich verstehe nicht, was aus ihm geworden ist.“
„Wie ich es mir dachte, weißt du schon gut Bescheid. Sei vorsichtig, mein Freund, wir sehen uns im nächsten Sommer.“ Ron ist kein Mann vieler Worte. Die beiden schlugen ein und nickten sich zu. Sie gingen aneinander vorbei, Korr schritt die Treppe hoch, Ron blieb stehen. Ohne sich umzudrehen, sprach er noch einmal Korr an.
„Korr?“ Auch Korr drehte sich nicht um.
„Ron?“
„Du weißt, dass es gefährlich ist, was du vorhast.“
Korr schluckte trocken.
„Es ist besser, jemanden zu fragen, der sich mit so was auskennt.“ Fuhr Ron fort.
„Nebelhexenkraut kann einen nicht nur vergessen lassen oder in eine totale Amnesie stürzen. Es kann einen auch töten.“
Korr griff unbewusst unter seinen Umhang, an den kleinen Beutel, in dem er das seltene Kraut des Vergessens getan hatte. Das er bei einem Hexenmeister in Tildorn kaufte. Es war ihm bewusst, welche Gefahr er einging. Aber dieses Risiko wollte er eingehen. Lieber wollte er es versuchen und scheitern, als für immer mit den Qualen zu leben, ohne etwas zu versuchen.
„Aber ich denke nicht, dass du das willst.“ Sprach Ron mit seiner tiefen Stimme.
„Zumindest hoffe ich, dass ist nicht in deinem Sinne. Wenn es so ist, soll es deine Entscheidung sein. Ich werde mich nicht in dein Leben einmischen. Lebewohl mein Freund, bis zum Sommer.“ Ron ging langsam weiter. Nach einigen Sekunden dreht sich Korr um.
„Ron!“ Ron blieb stehen und wendete sich zu Korr um. Korr schritt auf ihn zu. Er zog den Beutel mit dem Nebelhexenkraut aus seiner Tasche.
„Hier. Mach es gut.“ Korr ging wieder zur Treppe in Richtung seiner Räumlichkeiten. Ron sah ihm noch lange nach. "Mein Freund du tust mir leid. Ich hoffe du wirst es eines Tages schaffen." Dachte sich Ron und begann seine Reise nach Midloree.
Nach dem Gespräch mit dem König und Ron fühlte sich Korr nun sehr müde. Da sein Körper nun zur Ruhe kam, merkte er, dass es wohl doch anstrengender war, als er dachte. Sein Rücken schmerzte, sein rechtes Bein hatte er sich beim Kampf mit dem Tricera-Rex etwas verdreht und dies machte ihm nun zu schaffen. Seine Rüstung ist ihm auf die Dauer der zwei Monate zu schwer geworden und er fühlte sich schmutzig. Korr begab sich in seine Räumlichkeiten, auf dem Weg begegneten ihm viele vertraute Gesichter. Manche waren erst kurz vor seiner Abreise ins Schloss gekommen. Der Hofstaat wächst und wird immer größer. Mehr und mehr kleine freie Dörfer schließen sich an. Nach den Drachenkriegen waren einige Schlösser gefallen und damit sind auch alte Grenzen verfallen. Kleine Dörfer und Städte mussten sich von da an, alleine Handelswege schaffen oder sich einem neuen Königreich anschließen. Das Schloss war damals von einem Dämon besetzt und die umliegenden Dörfer entweder verlassen oder nur noch dünn besiedelt. Korr dachte immer, wenn er von einer Reise kam, wie er zu ersten Mal durch die Flure und Gänge schritt. Liegt dass alles schon so lange zurück? Das fragte er sich öfters und als er seinen schmerzenden Rücken bemerkte, wurde ihm wieder klar, dass er auch nicht mehr der Jüngste war. Die furchtbaren Tage seiner Kindheit lagen lange zurück. Seine Zeit als Junge, dem grade mal ein Flaum an Bart wuchs, kam ihm eigentlich noch länger her vor. Vielleicht verschleiß sein Körper aber auch durch die ewige Zeit als Krieger so schnell. Schon in seiner Heimat wurden, mit nicht einmal sechs Jahren, die jungen North zu Kämpfern erzogen. Stark, robust, schnell, taktisch und dem Gegner immer einen Schritt voraus. Das wurde ihm schon immer eingeflösst. Dies mag jetzt härter klingen als es wirklich war. In seinem Kopf kamen die Bilder seiner Kindheit, der Jugend und seine Zeit als junger Mann wieder. Und jetzt kamen die Bilder, die Erinnerungen ankündigten, die er jetzt nicht haben wollte. Seine Mundwinkel gingen nach unten, er schüttelte den Kopf und erreichte seine Zimmertür. Er betrat seine Räume. Auch ihm standen drei zur Verfügung. Schlafzimmer, eine große Wohnstube mit Kamin und ein großes privates Badezimmer mit Wanne und Dusche. Die Ausarbeitung der Kanäle und der Rohrverlegung zog sich über ein Jahr hin. Das Wassersystem musste bei den Kriegen stark gelitten haben. Das frische Wasser kam vom großen See hinter dem Schloss. Zwischen Schloss und See steht das Klärwerk, welches zur Wiederinbetriebnahme erst mal von den dort hausenden Venomous Ratten gesäubert werden musste. Abscheuliche große Biester, rund einen Meter, mit tiefschwarzen Augen und Klauen, so riesig wie Messerklingen. Man nannte sie auch Rattenmenschen, weil sie auf zwei Beinen standen. Aber Korr war sich auch dafür nicht zu schade und zog mit Balthasar und einigen weiteren los, das Ungeziefer zu beseitigen. Zum Glück ging es schneller, die Elektronik anzuschließen, als das ganze Schloss mit fließendem Wasser zu versorgen. Korr schritt in sein Schlafzimmer und begann sich zu entkleiden. Er nahm seinen Umhang und Schwert ab, zog die Stiefel aus, öffnete seinen Brustpanzer und warf alles auf sein Bett. Handschuh, Shirt, Kettenhemd und Hose folgten. Seine Zimmertür öffnete sich, eine zarte Mädchenstimme rief ihn.
„Lord Korr? Lord Korr, hier ist Maid Kira. Ich soll eure Sachen waschen, wurde mir aufgetragen. Kann ich eintreten?“
Kira wurde einige Zeit vor Korrs Abreise als Dienstmädchen angelernt und in seinem Schlossabschnitt eingearbeitet. Er kannte sie und hielt sie für ein ehrgeiziges Mädchen aus dem wohl etwas hätte werden können, wenn ihre Eltern nicht so arm gewesenen wären. Die Schule kostet nicht viel, aber Kiras Talent lag in der Magie und Balthasar war zwar ein guter Lehrer, aber Magier auszubilden kostet den König viel Geld und deswegen sind diese Gebühren höher als die allgemeine Schule hier im Schloss. Also musste sie als Dienstmädchen im Schloss arbeiten. Kira war ein Malachitmädchen. Eine orange-braune Hautfarbe und die kräftigen grünen Augen sowie grüne Fingernägel war bei dieser Gattung üblich. Kiras Haare hatten die Farbe des Chrysoll-Minerals, ein kräftiges Blau-türkis. Vereinzelt zierten blaugrüne, steinähnliche kleine Schuppen ihren Körper.
„Tritt ein, ich bin in meinem Schlafzimmer.“ Er legte ihr die Schmutzigen Sachen zurecht und nahm sie hoch. Als Kira durch die Schlafzimmertür trat, drehte sich Korr um und reichte ihr die Klamotten. Sie sah ihn aufmerksam an und lächelte. Er stand nur noch in seiner Unterhose vor ihr. Sein trainierter Körper schien ihr zu gefallen.
„Hallo Kira, hier sind meine Sachen. Frische habe ich noch im Schrank. Keinen Stress also. Ich hoffe, es geht dir gut.“ Sie nahm die Kleidung an sich und nickte.
„Ja, tut es, danke der Nachfrage, Lord Korr. Ich bin froh, dass ihr die Reise wohl und unbeschadet überlebt habt.“ Er kratzte sich am Hinterkopf und gähnte.
„Ja, ich auch. Ich bin nur müde und will mich jetzt etwas schlafen legen. Kannst du mir, zwei Stunden vor dem Umtrunk, ein Bad einlassen und mich wecken?“
„Aber selbstverständlich, Lord Korr.“
„Danke, dann bis dahin.“ Er gab ihr ein Handzeichen, dass er sie bittet zu gehen, sie nickte und verließ das Zimmer. Korr rieb sich mit Zeigefinger und Daumen einer Hand die Augen. Dann zog er sein Zopfband aus den Haaren und ließ sich auf sein Bett fallen. Es war so angenehm wieder in ihm zu liegen. Die Nächte unter freiem Himmel oder die brettharten Gasthofbetten waren eine Qual. Zumal diese meist auch noch überteuert waren. Aber jetzt war er zu Hause und seine Augenlider wurden schwer. Innerhalb weniger Augenblicke war er tief und fest eingeschlafen.
Er träumte nicht und erwachte von alleine. Der Schlaf war nötig, dachte er sich. Jetzt ein heißes Bad und eine kalte Dusche hinterher. Er betrat das Bad, es war noch genug Zeit, sich fertig zu machen und einen Spaziergang durch das Schloss zu machen. Korr ließ das Badewasser ein. Doch bevor er sich in die Wanne legte, duschte er sich kurz kalt ab, um den Kopf klar zu bekommen. Wie immer betrachtete er dabei seinen linken Arm. Der für immer in dieser aus Metall, Drachenhaut, Mechanik und Magie bestehenden Hülle steckt. Nähme er die Rüstung ab, könnte er nicht sagen, was ihn erwartete. Vielleicht ja ein vollkommen neuer funktionierender Arm. Oder nur ein unbeweglicher abgestorbener Stummel verwestes Fleisch. Oft hatte er das Gefühl, dass die feine Mechanik in seinem Arm gar nicht mehr nötig sei. Er war nun ein Teil von ihm und nicht mal der schlechteste, dachte er sich. Sein Rücken war da schon schlimmer. Als er sich dann in der heißen Wanne seine Entspannung gönnte, wurde ihm wieder klar, was es für ein Glück es war, in diesem Schloss mit seinen Freunden zu leben. Als er mit ihnen noch durchs Land zog oder er sogar noch alleine die Welt bereiste, war ein entspannendes Bad rar und teuer. Meist wusch er sich in Seen oder Flüssen. Wenn das Glück einen guten Tag hatte, war da auch schon mal eine heiße Quelle. Korr starrte an die Decke, dann schloss er die Augen. Lavendelgeruch stieg ihm in die Nase. Die Badezimmertür öffnete sich, es war Kira. In ihrer Hand hielt sie eine Kanne mit Tee.
„Lord Korr? Ich dachte, ich solle euch wecken und ein Bad einlassen. Ich habe mich schon gewundert, wo ihr seid.“ Sie stellte die Kanne Tee und eine Tasse neben die Wanne auf einen kleinen Beistelltisch.
„Ich war schon früher wach. Ich hoffe es macht keine Umstände.“
„Nein, gar nicht, ich hoffe der Tee wird euch schmecken.“
„Vielen Dank. Das wird er bestimmt.“
Einen Augenblick passierte nichts. Sie sahen sich einfach nur an. Beide lächelten dabei. Dann zog Korr fragend die Augenbrauen hoch.
„Ist noch etwas, Kira?“
Als er diese Frage stellte, nahm er sich die Tasse und goss sich Tee ein. Kira sah ihn nicht an. Dann schnürte sie ihr Kleid auf und ließ es zu Boden fallen. Korr sah sie verwundert an, während er von seinem Tee trank. Kira löste ihren Zopf. Ihr blau-türkises Haar fiel ihr auf die Schultern. Korr betrachtete ihren jungen Körper und obwohl er wusste, was sie wollte, war ihm klar, dass er es nicht wollte. Ihr Körper war schön, gepflegt, er wies nur eine größere Narbe, circa zehn Zentimeter unter ihrem linken Busen auf. Diese verdankte Kira ihrem Stiefvater, welcher ihr mit einer zerbrochenen Flasche diese Wunde zugefügt hatte. Als das arme Mädchen von der Dorfwache gerettet wurde, war sie kurz vorm Verbluten. Die Dorfwache brachte sie zum Schloss und die besten Ärzte halfen ihr. Ihrem Stiefvater erging es nicht so gut. Als er festgenommen wurde, war er betrunken. Er gestand, sie verletzt zu haben und auch das er versuchte, sie zu vergewaltigen. Nach ihrer Genesung wurde Kira im Schloss als Dienstmädchen angestellt, so konnte sie genug Geld verdienen, dass es ihrer Mutter und ihren Geschwistern weiter gut ging, auch ohne ihren gehassten Stiefvater. Und nun stand sie vor ihm. Nackt und schön. Sie war noch jung, dachte Korr sich, und fühlte sich wieder so alt. Kira setzte sich zu Korr in die Wanne. Dabei sah sie ihn verführerisch an.
„Was machst du da?“ Fragte Korr sie ernst, als verstünde er nicht, was sie vorhabe.
„Ich dachte, ihr freut euch nach so langer Zeit über Gesellschaft.“ Während sie dies sagte fuhr sie mit ihrer Hand an seinem linken Bein hoch und beugte sich zu ihm.
„Lord Korr wollt ihr mir etwa sagen, dass ihr nicht auch mal Lust verspürt und diese...“ Noch im Satz griff er ihre Hand, die jetzt an seinem Oberschenkel war. Ihr Gesicht war keine dreißig Zentimeter von seinem entfernt. Erschrocken sah sie ihn aus großen Augen an, als er ihre Hand aus dem Wasser hob. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass sie nicht damit gerechnet hatte oder das es seine Rüstungshand war.
„Kira. Was soll das? Habe ich dir je das Gefühl gegeben, dass ich dies möchte? Du bist doch kein Mädchen, das so was ohne Grund macht. Wenn du Gefühle in dieser Richtung zu mir hast, müssen wir darüber reden.“ Kira zog langsam ihre Hand aus seiner und lehnte sich in der Wanne zurück.
„Lord Korr, ich wollte euch nicht erzürnen. Es ist nicht so, dass ich euch nicht ansprechend finde aber...“ Sie überlegte.
„Ich wollte doch nur meine Stelle am Hof nicht verlieren.“
„Also eigentlich tust du grade etwas, wodurch du sie verlieren könntest. Warum wolltest du das machen Kira?“ Sagte Korr mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Der König sagte, es sei eigentlich kein Platz mehr am Hof für mich frei. Aber wenn ich mich ganz doll bemühe, würde er das schon regeln. Ja und dann, ein paar Tage später, orderte er mich in sein zweites Schlafgemach. Ich wusste schon, was auf mich zukommen würde, als er mich rufen ließ.“ Sie senkte den Kopf, ihr Blick sah gedankenverloren zur Wand.
„Glaubt mir, Lord Korr, ich hätte viel lieber mit euch als mit ihm geschlafen.“
„Also hat er dich schon auf seiner Liste abgehakt? Ich hoffe, er hat dich gut behandelt“, fragte Korr. Ihm waren die Ausschweifungen des Königs nicht so bewusst gewesen. Er hatte da wohl mehr als nur ein, zwei kleine Affären laufen.
„Es geht...“, murmelte Kira.
„Also nicht. Warum hast du das getan, Kira? Du bist doch keine Schlampe.“
„Nein, Lord Korr, denkt bitte nicht falsch von mir!“, antwortete sie erschrocken
„Tue ich nicht, aber warum, möchte ich wissen.“ Beruhigte Korr sie.
„Es war erniedrigend und nicht schön, aber ich kann diese Arbeit nicht verlieren.“ Korr schwieg eine geraume Zeit, dann nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte ihren Kopf zu sich. Sie sahen sich tief in die Augen. Korr sah, dass sie nicht gelogen hatte.
„Kira.“ Sprach er leise und mit fester Stimme.
„Du musst das nicht machen, nur weil der König will. Er hat dich angelogen. Platz haben wir immer für Personal am Hof und wenn so was noch mal vorkommt, kommst du zu mir. Ich habe genau wie Balthasar, Wilhelm, und Vincent die höchste Befehlsgewalt hier am Hof. Nach dem König und der Königin. Dann kläre ich das.“ Er ließ ihr Kinn los, sie nickte. Korr stieg aus der Wanne und griff sich ein Handtuch.
„Tja. Unser ach so toller König hat leider in letzter Zeit. Ich meine er ist zurzeit...“
Kira sah ihn mit fragenden Augen an. Korr überlegte, dann winkte er ab.
„Ist auch egal. Komm ich helfe dir.“ Dann half er Kira aus der Wanne.