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Der Weg

Sein Kopf dröhnt, seine Augen sind verbunden und der faule, modrige Gestank sticht ihm in der Nase. Eine Mischung aus Schwefel, Eisen und Rauch. Er schmeckt immer noch Blut.

Es ist pechschwarz. Kein Licht dringt durch die Augenbinde. Er hat Angst, furchtbare. Er hat Panik vor der Zukunft, vor dem was ihn erwartete. Er zittert, sein Kopf hämmert und schmerzt. Seine Hände sind kalt und seine Handgelenke wund von den Fesseln. Er schwitzt aus jeder Pore seines Körpers. Der Gestank betäubt seine Sinne und er verliert den Bezug zur Realität. Er weiß nicht, wie lange er schon gefesselt war. Wo er ist und was mit ihm geschieht. Minuten? Stunden? Vielleicht Tage? Er ist am Rande des Wahnsinns.

Ab und zu kam eine Person hinein und brachte ihm etwas zu essen. Er hatte keine Chance gehabt es selbst zu essen, es wurde ihm praktisch aufgezwungen. Er wünschte ein weiteres Mal seine Neugierde hätte nicht gesiegt und er wäre gerannt. Weit weg.

Er hört ein Klicken. Stumpfe Geräusche.

Fußstapfen? Möglich.

Er wird grob gepackt, seine Schulter schmerzt. Er wird an seinen Handfesseln gezogen. Er weiß nicht wohin. Es kommt kein Ton aus seiner Kehle, egal wie stark er es versucht. Sein Hals ist zu trocken, er muss husten. Die Angst überwältigt ihn. Die Person, die ihn zieht, redet nicht; sie ist stumm. Kein Ton, kein Wort, nicht mal die Atmung kann er hören.

Dann: lautes Jubeln, rascheln von Ketten und das Aufeinanderschlagen von Metall.

Es riecht nach Eisen. Vom Metall und den Ketten vielleicht.

Er wird ohne Rücksicht auf den Boden geworfen, Luft wird bei dem Aufprall auf den harten Boden aus seiner Lunge gepresst. Er hustet. Etwas Hartes, kaltes wird um seinen Fuß geschlossen und ihm seine Augenbinde abgerissen. Seine lichtentfremdeten Augen schmerzen, jedoch war es etwas lang ersehntes.

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Blinzelnd schaut er sich um. Seine Augen passen sich langsam den Lichtverhältnissen an. Nun wird ihm klar, wo er ist. Er kann sein Schicksal erahnen.

Er ist in einem Gefängnis. Hinter Gittern, an eine Wand mit einer Fußkette gefesselt, seine Hände noch verbunden. Nachdem sich seine Augen vollkommen an die Helligkeit der, an der Wand hängenden, Fackeln gewöhnt haben, schaut er aus seiner Zelle.

Es ist definitiv ein Kerker. Er sieht weitere Zellen, sie sind, wie für Gefängnisse gewöhnlich, aneinandergereiht. Er bemerkt schnell, dass auch weitere Gefangene in den Zellen sind.

Der Boden ist schlammig und moosbedeckt.

„Hey!“

Er zuckt zusammen und dreht sich langsam um. Hinter ihm, in der Ecke der Zelle, sitzt ein relativ jung aussehender, ziemlich muskulöser Mann. Zwischen den Fetzen seiner Lumpen schimmern unzählige Narben hervor.

„Wenn du hier überleben möchtest, musst du dich als würdig erweisen Coronathan zu werden. Nur die Stärksten kommen hier durch.“

Er versteht nicht, was dieser Mann meint. Coronathan? Die Stärksten? Überleben? Wo ist er nur gelandet?

„——“

„Noch zu geschockt, um klar denken zu können? Das ist zu erwarten. Du bist ja noch normal. Fangen wir normal für dich an; mein Name ist Orlando. Wie heißt du?“

„…Leon.“

Immer noch perplex und verängstigt, antwortet Leon dem Fremden mit einer zitternden Stimme.

„Gut. Leon, hör gut zu. Diese Gesellschaft, nein dieser Kult ist gefüllt mit Irren, die das Coronavirus anbeten und vergöttern.“, Orlando hält inne und betrachtet den Jungen mit einem kalten Blick. Er wartet auf eine Reaktion, doch Leon ist wie erstarrt.

„Sie entführen uns, um uns gegeneinander antreten zu lassen. Sie wollen ihren Propheten finden, sie nennen ihn den Coronathan. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren; die Schwachen sterben und werden… verschlungen. Wortwörtlich. Wenn du an deinem Leben festhältst, dann musst du dich an menschliches Blut gewöhnen—“, Leon zittert,

„—das ist der einzige Weg.“

„Ich muss—“, er holt tief Luft, „—töten?“

Er erinnert sich an den Leichenhaufen, den Fliegen und die ekelhaften Geräusche aus den Wänden.

Sein Magen verkrampft sich. Er spürt seine Magensäure brodeln. Er übergibt sich. Sein gesamter Mageninhalt leert sich auf dem Boden aus. Sein Hals brennt, seine Spucke schmeckt süßlich. Es fällt ihm schwer zu atmen. Der verzweifelte Junge schaut zu Orlando rüber, doch dieser hat sich schon längst mit Desinteresse weggedreht und schläft.

Trotz der Unmengen an Fragen, die wie zich kleiner Fliegen in seinem Kopf umherschwirren, folgt er seinem Beispiel und legt sich auf den eiskalten Steinboden.

Er ist geistig und körperlich erschöpft und ehe er sich versieht, verliert er die Kraft und seine Müdigkeit holt ihn ein.