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Drei Wege

Kapitel 5: Drei Wege

Maya erwachte.

Keine Schmerzen, das war ihr erster Gedanke.

Sie öffnete die Augen und blickte auf eine verstaubte Zimmerdecke über sich, die im Halbdunkeln des Raumes kaum auszumachen war.

Sie erinnerte sich.

Die Flucht, ihr Sturz und dann.... Dragon. Sie hatte ihn attackiert... mit ihrem Schwert.

Die Waffe lag neben ihr auf dem Tisch.

Oh ja, Maya lag auf einen Tisch.

Dragon schlief im Sitzen am Boden.

Behutsam tastete die junge Frau ihren Körper ab. Ihre Wunden waren verschwunden!

Nicht einfach nur behandelt und verbunden, sondern ganz und gar weg. Deutlich sah sie die Risse und Schnitte in ihrer Kleidung, die dunkelroten Flecken wo noch verkrustetes Blut darin klebte.

Aber keine Wunden.

Maya setzte sich auf und sah sich genauer um.

Sie musste die ganze Nacht hindurch geschlafen haben, denn das Zimmer wurde von einigen schwachen Lichtstrahlen erhellt, die einerseits von einem Treppenaufgang, andererseits von einem Loch in der Decke stammten.

Das war vermutlich jenes Loch, durch das sie auf ihrer Flucht gestürzt war. Es hatte in diesen Keller geführt.

Das Zimmer selbst wirkte wie ein längst verlassenes Labor eines verrückten Wissenschaftlers. Das war das Erste was Maya dazu einfiel.

Es gab noch drei weitere Tische, auf denen allerlei verstaubte, teils zerbrochene Glaskolben und Behälter standen. Wirre, halb zerfallene Papiere lagen überall verstreut. Es gab Kisten, Truhen und Fässer voller unbekanntem Inhalt und zwei leere Glaszylinder, groß genug als das ein Kind darinstehen könnte.

Maya schüttelte den Kopf. Das machte doch alles keinen Sinn.

Die Leute, dieses Volk, das hier gelebt haben sollte..... sie waren sowas wie Ureinwohner gewesen. Halb verwilderte Barbaren.

Die Vorstellung das sie Labore oder Wissenschaftler hatten....

Undenkbar.

Doch eben als ihr dieser Gedanke kam, bemerkte sie jene seltsame Truhe mit den schwach leuchtenden Zeichen darauf, welche Maya erstaunlicherweise lesen konnte.

"Prototypen"

Sie stand vom Tisch auf und warf einen Blick auf Dragon.

Er schlief tief und fest, hatte immer noch nur ihre Jacke als Bekleidung. Maya wurde rot und wandte den Blick ab. Konzentration, sagte sie sich.

Sie ging zu der Truhe.

Der Behälter hatte kein Schloss und wirkte überhaupt nicht so verstaubt und alt wie alles andere hier. Nervös umfasste sie die Ränder der Truhe und hob den Deckel an.

Dieser ließ sich erstaunlich leicht öffnen, ganz ohne das rostige Angeln quietschten oder Staubwolken hochstoben. Es war eine vollkommen normale, neu aussehende Truhe.

Darin befanden sich zwei, etwa faustgroße Schatullen.

Die eine Schatulle war aus schwarzem Metall und hatte die gleichen schwach leuchtenden Zeichen wie die Truhe zuvor.

"Weg des Blutsiegels", stand da geschrieben.

Die andere Schatulle war aus einer Art rotbraunem Holz gefertigt. Auch auf ihr war etwas zu lesen.

"Weg des Helden".

Warum leuchten die Schriftzeichen, war Mayas erste Frage.

Dann – warum kann ich sie lesen?

Waren da Batterien in den Behältern? Oder eine andere Stromquelle? Waren die Zeichen vielleicht optische Täuschungen in denen normale Buchstaben versteckt waren so dass ihr Hirn sie automatisch wahrnahm?

Fragen über Fragen und keine Antwort.

Maya zuckte mit den Schultern, nahm die metallene Schatulle mit dem "Weg des Blutsiegels“ und sah nach was drinnen war.

Es war als hätte sie einen Sturm entfesselt.

Etwas... traf sie und schleuderte die junge Frau einmal quer durch den Raum so dass sie hart gegen die Wand prallte. Alles drehte sich um sie herum, was nicht nur von dem harten Aufprall rührte, sondern auch davon das wortwörtlich das Zimmer bebte. Aus der Schatulle in der Kiste strömte eine Art roter Vortex, ein sichtbarer Strudel aus purer Energie, so schien es zumindest.

Dieser Strudel schoss empor zur Decke, verharrte einige Momente und stürzte dann rauschend auf Maya nieder. Sie versuchte die Arme zu heben und ihr Gesicht zu schützen, aber die wirbelnden, roten Massen waren schnell. Sie verschluckten Maya förmlich, pressten von allen Seiten auf sie ein und.... verschwanden?

Das Schauspiel war von einem Moment auf den anderen vorbei.

Schwer atmend saß die junge Frau am Boden und konnte nicht recht glauben was geschehen war. Was WAR überhaupt geschehen?

"Uahhh" kam ein Stöhnen aus einer anderen Ecke des Zimmers. Auch Dragon war von den Auswirkungen des roten Sturmes erfasst und weggeschleudert worden. Er kämpfte sich aus einem Stapel gesplitterter Fässer hervor. Er hatte nun auch Mayas Jacke verloren und war.... nun ja, komplett nackt.

"Wohooo", machte Maya

Wohooo, machte eine Stimme in ihrem Kopf.

Wie bitte? Stimme in ihrem Kopf? Drehte sie jetzt schon komplett durch? Sie packte das Schwert in ihrer Hand fester und.... wann hatte sie das Schwert in die Hand genommen?

Maya vermied es, Dragon anzustarren und stapfte zurück zur Truhe, nach all dem wollte sie sehen was sich in der Schatulle befand. Doch sie wurde enttäuscht. Der kleine metallische Behälter war verschwunden.

"Maya was ist passiert? Was machst du bei der seltsamen Truhe?" fragte Dragon.

"Gar nichts!" antwortete sie etwas aufbrausender als gewollt. "Da war diese Schatulle und darin – HAST DU GERADE MEINE SPRACHE GESPROCHEN??"

Sie starrte den Mann aus dem Sarg an.

Er starrte zurück.

"Aber DU sprichst doch meine Sprache, oder nicht?" antwortete er ruhig, aber etwas misstrauisch. Langsam kam er näher.

Maya vermied es erneut den Mann anzustarren.

"Pffft", machte sie. "Woher sollte ich deine Sprache kennen?"

Sie gab sich ruhig und gelassen. Aber sie war sooooo verwirrt. Was ging hier eigentlich ab? Seit sie auf dieser Insel gelandet waren, jagte eine Unglaublichkeit die Nächste.

"Hmmm", machte Dragon. "Wahrscheinlich Magie…".

Jetzt sah Maya ihn doch an. Er stand direkt neben ihr und sah interessiert zu der verbliebenen Schatulle.

"Was hast du gesagt? Magie...?" fragte sie als hätte er den Verstand verloren.

"Was ist in der Schatulle?"

"Keine Ahnung, aber wegen der Mag- "

"Mal schauen".

"Was – neiiiiiiin!!!!"

Zu spät. Dragon bückte sich und öffnete den „Weg des Helden“, jene kleine Holzschatulle, die noch in der Truhe war.

Es war anders als bei Maya.

Kein Sturm, sondern eher ein leichter Wind wehte durch das Zimmer. Es roch nach…. nein es duftete schlagartig nach Rosen, nach einem frisch gemähten Rasen und allerlei Kräutern. Die Gerüche beruhigten Maya, gaben ihr ein Gefühl von Sicherheit und die Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Kein Beben erschütterte den Raum, nur ein silbrig-goldener Schleier stieg aus der Schatulle auf und umspielte Dragon. Dieser wedelte mit den Armen als wolle er Fliegen verscheuchen, sah das dies keinen Sinn hatte und ließ den Dingen ihren Lauf. Der Nebel verdichte sich um Dragons Kopf und wurde dann von ihm... eingeatmet? Zumindest sah es so aus, als ob die durchscheinenden Schlieren in den Nasenlöchern des Mannes verschwanden.

Sekunden später war alles wieder beim Alten.

"Wow," sagte Dragon. "Das war seltsam!"

Maya boxte ihm gegen die Schulter.

War ja klar! Wenn sie einen unbekannten Behälter öffnete, entfesselte sie die Hölle selbst, aber beim gutaussehendem, muskulösem, verwegenem.... ähm, also bei Dragon, verlief alles ganz ruhig und harmonisch.

Ich mag dich, Maya. Ich hoffe du überlebst.

Da war sie wieder! Diese plötzliche, schelmische, weibliche Stimme in ihrem Kopf!

„Wer bist du?“ rief sie lauf und schüttelte den Kopf.

Dragon sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

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Hatte sie den Verstand verloren? Ihr Gedanken schwirrten wild durcheinander. Das war alles nicht richtig hier. Der Moment der Beruhigung war verflogen als die feinen Düfte in der Luft vergangen waren. Jetzt traf sie die Realität ihrer Lage wie eine Sturmflut.

Und als wäre es nicht genug, auf einer nicht ganz so einsamen Insel gestrandet zu sein, geschahen hier auch noch laufend Dinge, die man nicht erklären konnte.

War Valar sowas wie eine geheime Forschungsstation in der Hybridkreaturen gezüchtet wurden? Die Monster, Dragon, die Schatullen, das ganze Gerede über Magie und nun auch noch Stimmen in ihrem Kopf? Maya wollte schreien oder weinen.

Fühlte sich so ein Nervenzusammenbruch an? Hatte sie eine Panikattacke?

Sie bemerkte das sie auf dem Boden der staubigen Ruine saß und zitternd ihr Schwert umklammerte. Was passierte auf dieser Insel?

Dragon sah Maya besorgt an, sagte aber nichts.

An einem anderen Ort in Valar, wachte Loras aus einem unangenehmen, kurzen Schlaf auf. Er rieb sich die Augen und rief sich ins Gedächtnis was gestern passiert war.

Er hatte diese Treppe in die Tiefe gefunden.

Steile Stufen welche in der Dunkelheit unter ihm verschwanden. Da war ein Skelett gewesen, mit einem leuchtenden Stein in der Hand. Und eine kleine Schatulle, ein paar Stufen tiefer.

Loras hatte beides an sich genommen und war an die Oberfläche zurückgekehrt.

Allerdings nur für kurze Zeit.

Draußen hatte es schon zu dämmern begonnen und es konnte nicht mehr lange bis Tagesanbruch gedauert haben. Und im fahlen Licht des Morgens hatte er Gestalten auf den Hügeln außerhalb der Stadt gesehen.

Sofort war die Angst zurückgekehrt und Loras versteckte sich weiter in der Ruine. Er war ein ganzes Stück die Treppe hinunter gegangen. Soweit, das er einen schönen Abstand zum Eingang und dem Skelett hatte, aber nicht so weit, als das ihn das Unbekannte hier noch mehr Angst eingeflößt hätte.

Der kleine Stein, welchen er gefunden hatte, spendete stetig Licht, wenn auch nur sehr schwach. Er hatte ja schon festgestellt das man ihn irgendwie mit der Schatulle kombinieren musste, war aber zu müde gewesen und es tatsächlich noch auszuprobieren.

Stattdessen hatte er es sich auf einer Stufe so gemütlich gemacht, wie es eben ging, und war eingeschlafen.

Es konnten nicht mehr als drei oder vier Stunden vergangen sein, als er erwachte, so müde war er immer noch. Dennoch fühlte sich Loras bereit, etwas zu tun. Sei es nun die seltsamen Gegenstände zu erforschen, oder sich auf die Suche nach Dragon und Maya zu machen.

Als aller erstes legte er den Leuchtstein und die Schatulle vor sich auf die Stufen.

Der rot-goldene Behälter mit der Aufschrift „Automatik Weg. Magiekern, um zu starten“, wirkte simpel in seiner Machart. Ganz im Gegensatz zu dem unregelmäßigen Stein.

Dessen schwache Leuchtkraft und das leicht durchscheinende, fahl-blaue Material, aus dem er bestand, verliehen ihm etwas Mystisches, etwas…. Magisches.

Loras hielt sich nicht für unglaublich intelligent, aber er war kein Idiot. Der Stein sah so aus als würde er in die Vertiefung der Schatulle passen und auf dieser stand geschrieben, dass ein Magiekern gebraucht wurde. Die Vermutung lag nahe, dass er den Behälter mit dem Leuchtstein öffnen könnte.

Was solls, dachte Loras, nahm den Stein und drückte ihn gegen die Schatulle.

Es klickte, als die Gegenstände sich verbanden, wie gedacht nahm die Vertiefung fast den gesamten Stein in sich auf. Fast augenblicklich verstärkte sich die Leuchtkraft und erhellte die Treppenstufen rings um Loras mit blauem Licht.

Dann veränderten sich die Buchstaben, oder besser, die Zeichen auf der Schatulle. Loras rieb sich die Augen und musste zweimal hinsehen, um es auch wirklich zu glauben.

Die Schriftzeichen, welche eindeutig in das Metall der Schatulle eingearbeitet waren, verschwanden und stattdessen, bildeten sich neue Runen. Loras kam es vor als würde er einem unsichtbaren Handwerker zusehen, welcher die Zeichen mit einem Meisel in das Metall kerbte.

- Messe vergangene Zeit anhand von Umgebungsmerkmalen-

- Bitte warten –

- Letzte Aktivierung vor 2198 Jahren –

- Berechne technologischen Fortschritt anhand von Erinnerungen –

- Bitte warten –

Loras war erst verwirrt.

Dann, als das blaue Leuchten des Steins zu einem fokussierten Lichtkegel wurde und genau auf Loras Kopf zielte, wurde er nervös. Er stand auf und machte ein paar Schritte zurück die Treppe hinauf. Doch das Leuchten hielt an und blendete ihn geradezu.

Nur schwer konnte er die neuen Schriftzeichen erkennen, die sich auf der Schatulle bildeten.

- Vorgang abgeschlossen –

- Beginne automatische Transformation –

- Bitte warten –

Das Licht verschwand, oder wurde viel mehr wieder zu den schwachen Leuchten, das es zuvor gewesen war. Zusätzlich veränderte sich die Schatulle nun als Ganzes.

Erst schien es Loras, als würde sich das Metall, aus dem sie bestand, erneuern. Rost verschwand und Schmutz, sowie Stab fielen einfach ab.

Sekunden vergingen, dann spannten sich plötzlich filigrane Verzierungen über den Behälter, bestehend aus Gold, Silber und Edelsteinen. Kunstvolle Legierungen bildeten Schnörkel und Muster auf dem Metall.

Das hielt für einige Sekunden an und änderte sich dann erneut. Das Metall wurde glatt, verwandelte sich zu reinem Stahl. Scharniere und Seitenteile der Schatulle waren mit kleinen Bolzen aus demselben Material befestigt. Der Behälter erinnerte nun mehr an einen Tresor.

Doch schon kurze Zeit später schälten sich immer mehr Schichten des Metalls ab und darunter kam…. Plastik zum Vorschein? Loras traute seinen Augen kaum, aber es war tatsächlich ein weißer Kunststoff, aus dem die Schatulle nun bestand.

Auch die Form veränderte sich.

Der Behälter wurde flacher und eine schwarze, glatte Fläche erschein auf der Oberseite. Ein Display aus Glas? Wie bei einem Smartphone?

Das Leuchten war nun vollständig erstorben und auf dem brandneuen Bildschirm der ehemaligen Schatulle erschienen in digitaler Schrift Worte in Loras Sprache.

- Update abgeschlossen –

- Weg an das Jahr 2333 n.EG angepasst –

- Bitte wähle einen Spielernamen –

Der Bildschirm war offensichtlich ein Touchdisplay und eine virtuelle Tastatur erschien.

Damit hatte Loras Erfahrung.

Er würde von sich selbst behaupten ein professioneller Gamer zu sein. Einen großen Teil seines bisherigen Lebens hatte er mit MMORPGs und anderen Videospielen verbracht. Er war ein Level 90 Schurke in „Legenden von Arxidus“ und unter den Top 100 Spielern bei „Guild Battle 2“.

Wenn dieses …. Ding hier sich zu einer Art Spielekonsole verwandelt hatte, dann war das die erste gute Nachricht, seit er auf dieser verdammten Insel angekommen war.

Er wählte den Namen, welchen er sich in allen Games gab. Ein Name der fast so etwas wie eine zweite Identität für Loras war.

- MasterKiller001-

Die Konsole bestätigte seinen Namen und fuhr dann fort.

- MasterKiller001-

- Level 1-

- Klasse: keine-

- Wege: Weg des Spielers 1-

- Sonderfertigkeiten: Blick des Spielers –

- Chatfunktion freigeschaltet –

Was? Nur ein Überblick seiner Stats? Wie kam er zum Spiel?

Loras tippte genervt auf dem Bildschirm herum, aber alles was geschah war, dass dieser schwarz wurde. Frustriert seufzte er.

Die Schatulle…. nein, eine Schatulle war es nicht mehr.

Das Ding war flach wie eine Scheibe und eine ganze Seite nahm der Bildschirm ein. Wie könnte man es nennen?

Dann schlug er sich wegen seiner eigenen Dummheit gegen die Stirn. Er musste sich wie ein Höhlenmensch anhören.

Was er in der Hand hatte war ein modernes Tablet.

„Du erinnerst dich also an gar nichts?“ fragte Maya, als Dragon erzählte, wie er im Sarg aufgewacht war. „Nicht mal an deinen richtigen Namen?“

„Leider nicht. Vielleicht ein Zauber der das Gedächtnis beeinflusst? Ich habe wirklich keine Ahnung.“

Da war es wieder, dieses Wort. Zauberei! Magie!

Für Dragon schien es völlig normal zu sein, dass solche Dinge existierten. Er sprach ganz offen darüber, wie er sie geheilt hatte, und dass er auch magisches Licht und kleine Flammen heraufbeschwören konnte. Er hatte es ihr gezeigt!

Er bemerkte wohl Mayas Blick und sagte: „Du und Loras, ihr kommt von weit her, oder?“

„Ja“, antwortete die junge Frau. „Aus dem Imperium.“

„Was ist ein Imperium?“

Maya überlegte.

„Eine wirklich große Nation. So groß, dass sie fast die gesamte Welt umspannt.“

„Nation?“. Dragon wirkte ehrlich verwirrt.

„Ein Land, ein Herrschaftsgebiet… ein Königreich“, versuchte sie die ersten Begriffe, die ihr einfielen.

„Ahhh“, machte Dragon. „Ich kenne diese Worte.“

„Gut.“

Die Zwei waren damit beschäftigt, den Keller, in dem sie die Nacht verbracht hatten, zu durchsuchen. Es gab eine Vielzahl an Schränken, Kästen und Truhen in diesem oder anschließenden Räumen.

Das Erstaunliche daran war, dass viele Dinge, die sie fanden, relativ neu wirkten. Ganz und gar nicht so, als wäre diese Siedlung schon seit der Antike verlassen. Sie entdeckten eine Sammlung von Flaschen und Amphoren, alle sehr verstaubt und teilweise gesplittert, aber nicht so sehr, wie man nach einigen Jahrtausenden vermuten würde.

Dragon fand einen alten Vorhang, zusammengefaltet in einer Truhe, und benutzte ihn als Kleidung, indem er ihn sich um den Körper wickelte. Der Stoff war alt und löchrig, die Farbe vergilbt – aber länge er schon hier seit Valar „offiziell“ besiedelt war, müsste er schon längst zu Staub zerfallen sein.

Maya und Dragon hatten sich darauf geeinigt, dass es das Beste wäre, erst einmal Loras zu finden. Offensichtlich war dieser nach dem Angriff der Stahlmänner in die genau entgegengesetzte Richtung gerannt. Aber über die Insel zu wandern war gefährlich – deshalb die Suchaktion in diesem Keller.

Alles was ihnen helfen könnte, wäre willkommen.

Außerdem stellte es eine gute Möglichkeit für die Beiden dar, sich etwas zu unterhalten.

„Aber ja,“ knüpfte Maya an den Wortwechsel an. „Das Imperium ist sehr weit entfernt von hier. Um genau zu sein, ist Valar der entlegenste Ort auf der Welt. Hauptsächlich, weil es hier nichts von Wert gibt. Dachten wir zumindest.“

Dragon mühte sich damit ab einen Schrank beiseitezuschieben.

„Wieso seid ihr dann hier?“ fragte er gepresst vor lauter Anstrengung.

„Wir…. wissen es nicht so genau. Als wir aufgebrochen sind, nahmen alle an das es sich um eine simple Erkundungsmission handeln würde. Niemand rechnete mit Schwierigkeiten und erst recht nicht mit einem Kampfeinsatz.“

Deshalb hatten Loras und sie sich für die Mission gemeldet. Sie hatten die Wahl gehabt: Versetzung an die Front, oder eine Mission, die mehrere Monate oder sogar Jahre dauern konnte.

„Allerdings war es schon sehr merkwürdig ein voll einsatzfähiges Kriegsschiff hier ans Ende der Welt zu schicken, jetzt wo es im Krieg immer schlechter für das Imperium aussieht.“

„Krieg gegen wen?“ fragte Dragon.

Er machte eine kurze Pause. Der Schrank hatte sich kein Stück bewegt.

„Es ist etwas kompliziert,“ begann Maya zu antworten. „Vor einigen Jahrzehnten gab es-“.

Die junge Frau stockte.

„HEY, ist das eine Maus?“

Maya zeigte auf die hintere Kante des Schrankes den Dragon verschieben wollte. Dort zeigte sich der Kopf des kleinen Nagetiers in der Lücke zwischen Wand und Schrank. Die Maus bemerkte die Beiden, verharrte noch einen Augenblick, und zog sich dann panisch scharrend hinter den Schrank zurück.

„Komm wir schieben das Ding jetzt weg!“ sagte Maya plötzlich voller Tatendrang. Sie hatte da eine Vermutung.

Gemeinsam packten sie das Möbelstück an beiden Seiten und rückten es sehr, sehr langsam von der Mauer weg. Was sie dahinter sahen, bestätigte Mayas Gedanken.

In der Wand hinter dem Schrank klaffte ein relativ großes Loch. Nicht so hoch, dass man aufrecht darinstehen konnte, aber mehr als breit genug für eine Person. Das Loch führte tiefer ins Erdreich jenseits des Kellers und wurde zu einem stockfinsteren Tunnel.

„Denkst du wir sollten da rein gehen?“ fragte Dragon, nachdem sie einige Momente gelauscht hatten, aber nichts Beunruhigendes hörten.

„Vielleicht führt es zu einer Art… verstecktem Lagerraum? Oder es ist ein anderer Ausgang aus der Siedlung? Ich vermute es kann nicht schaden, sich die Sache einmal anzusehen.“

„Gut“ antwortete Dragon. „Ich gehe vor“

Damit ließ er ein kleines, magisches Licht auf seiner Handfläche erscheinen, und trat in den Tunnel.

Loras ging vorsichtig die dunklen Stufen in seinem Versteck hinunter.

Er nutzte den Bildschirm seines neuen Tablets als Lichtquelle. Es hatte eine Taste über die man es ein und ausschalten konnte. War es in Betrieb, zeigte es allerdings nur den Statusbildschirm von Loras Charakter, MasterKiller001, an.“

Was Loras auch klickte und wischte, das Angezeigte änderte sich nicht.

Immer noch fühlte sich der Junge sehr unsicher dabei, wieder hinaus in die Stadt zu gehen. Zumindest den Keller dieser Ruinen wollte er noch erforschen, bevor er sich auf die Suche nach Maya und Dragon machte.

Nur… für einen Keller führten die Treppen ziemlich tief in den Boden.

Er zählte einhundertdreiunddreißig Stufen, bis er zu einem ersten, kleinen Absatz kam.

Als Erstes fiel ihm die Türe auf.

Links vom Treppenabsatz gab es eine schlichte Holztüre in der Wand. Sie hatte die Aufschrift E1.

Was sollte das bedeuten? Erdgeschoss Eins? Ebene Eins? Eselsstall Eins?

Auf der rechten Seite war die Wand komplett eingerissen worden, so dass ein halbrunder, offener Raum entstanden war. Wurzeln hingen hier von der Decke, Geröll und lose Erde lagen am Boden herum.

Loras schauderte, als er die einfachen Holzbänke und Tische in dem Raum sah, an denen die skelettierten Überreste von Menschen saßen. Es waren vier ziemlich kleine Personen. Die Kleidung und anderen Besitztümer dürften längst zu Staub zerfallen sein, und so waren nur die blanken, grau-weißen Knochen übriggeblieben. Hier gab es eine weitere Türe, noch primitiver als die Erste und aus morschen Brettern zusammengenagelt.

Was Loras allerdings am meisten faszinierte, war, dass die Treppe nach einigen Metern weiter in die Tiefe führte.

Wer hatte diesen Schacht angelegt? Und warum? Wie tief gingen diese Stufen?

Er wollte sich die Sache gerade ein wenig genauer ansehen, als etwas auf seinem Tablet blau blinkte. In der unteren rechten Ecke des Bildschirms hatte sich ein kleines Kästchen geöffnet, das einige Linien und einen blau blinkenden Punkt anzeigte.

„Eine Minikarte?“ fragte Loras laut.

Augenblicklich änderte sich die Anzeige, und stellte eine vereinfachte Version einer Karte dar, die die Treppe und den kleinen Raum wiedergab, in dem sich Loras befand. Der blinkende Punkt war genau dort zu sehen, wo sich in der echten Welt die Brettertüre ohne Aufschrift befand.

Loras hatte genug RPGs gespielt, um zu wissen, dass sich von dort jemand näherte.

Seine Nervosität kehrte zurück, sein Puls beschleunigte sich und er war unschlüssig, was nun zu tun war. Aber er hatte keine Zeit, die Minikarte hatte ihn nicht früh genug gewarnt, denn bevor er handeln konnte, öffnete sich die Türe.

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